Gewalt in Syrien verurteilt
18. September 2012Die Kommission hatte im Auftrag des obersten UN-Gremiums zum Schutz der Menschenrechte die Gewalt in Syrien von Mitte Juli bis Ende August untersucht. Seit September 2011 hatte das 47-Staaten-Gremium mehrfach eine Untersuchungskommission unter Vorsitz des brasilianischen Diplomaten Sergio Pinheiro nach Syrien gesandt. Doch alle bisherigen Berichte der Kommission und alle darauf basierenden Appelle des Rates zur Beachtung der Menschenrechte in Syrien sind seitdem wirkungslos verpufft. Pinheiro war die Frustration anzumerken, als er seinen jüngsten Bericht am Montag (17.09.2012 ) in Genf dem UN-Menschenrechtsrat vorstellte.
Menschenrechtsverletzungen von beiden Seiten gravierend
Die Menschenrechtslage in Syrien habe sich "derart verschlechtert", dass man sie "kaum mit ein paar Worten angemessen beschreiben" könne, klagte Pinheiro. Seit September 2011 habe die Untersuchungskommission für ihre sechs Berichte an den Rat über 1100 Zeugenbefragungen durchgeführt. Die Arbeit der Kommission war besonders mühsam, da das Assad-Regime ihr bislang jeglichen Zugang nach Syrien verweigert. Auch die Sonderberichterstatter der UN für Folter und andere Menschenrechtsverstöße dürften Syrien bis heute nicht betreten, kritisierte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navanethem Pillay in einem ebenfalls am Montag vorgelegten Bericht. Wie die Untersuchungskommission weist auch die Hochkommissarin in ihrem Bericht auf "zunehmende Menschenrechtsverletzungen durch die bewaffneten Oppostionskräfte" hin. Laut Pillay gibt es "mehr Berichte über Entführungen, Folter und Misshandlungen durch bewaffnete Oppositionskräfte und über die Ermordung von gefangenen Regierungssoldaten und -milizionären sowie von Zivilisten."
Täglich neue Verbrechen durch regierungstreue Truppen
Allerdings betonen die Untersuchungskommission und die Hochkommissarin in ihren Berichten, dass die Menschenrechtsverletzungen durch die Regierungstruppen nach wie vor "umfangreicher, gravierender und häufiger" seien und den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschheit und von Kriegsverbrechen erfüllten.
Trotz dieser deutlichen Gewichtung missbrauchte der syrische UN-Botschafter in Genf den Hinweis in beiden Berichten auf Menschenrechtsverletzungen durch die Oppositionskräfte als vermeintlichen Beleg für die Behauptung, die syrischen Regierungsstreitkräfte gingen lediglich "reaktiv" und daher "legitimerweise" gegen "terroristische Kräfte" vor.
Amnesty International stützt sich auf eigene Beobachtungen
Dieser Darstellung widerspricht entschieden die Krisenbeauftragte von Amnesty International, Donatella Rovera. Im Unterschied zur Untersuchungskommission und zu den Sonderbeauftragten der UN hielt Rovera sich im April/Mai und erneut im August mehrere Wochen in Syrien auf - illegal, nachdem ihr das Assad-Regime monatelang ein Einreisevisum verweigert hatte. Bei diesen Besuchen habe sie "Menschenrechtsverletzungen in 23 Städten und Dörfern untersucht und überall dasselbe Muster vorgefunden", berichtet die Amnesty-Aktivistin. Überall seien "junge Männer gewaltsam aus ihren Häusern entführt und hingerichtet" und "ihre Leichen und hunderte von Häusern verbrannt" worden.
Rovera bestätigte auch den systematischen Beschuss von medizinischen Einrichtungen und Personal in allen von ihr besuchten Städten und Dörfern. Das wäre selbst im Falle eines legitimen militärischen Vorgehens von Regierungstruppen in einem Bürgerkrieg ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht.
UN-Sicherheitsrat soll geschlossen handeln
Die Aktivistin von Amnesty International fordert ebenso wie die UN-Hochkommissarin Pillay und der Vorsitzende der Untersuchungskommission Pinheiro, dass der UN-Sicherheitsrat endlich geschlossen handelte, um den Bürgerkrieg und die schweren Menschenrechtsverstöße in Syrien zu beenden. Die Verantwortlichen für diese Verstöße müssten vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft gezogen werden. Doch es gibt nach wie vor keinerlei Anzeichen, daß diese Forderungen erfüllt werden. In zwei Monaten wird die Untersuchungskommission zu Syrien dem UN-Menschenrechtsrat wahrscheinlich einen siebten Bericht vorlegen.