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Muslime sollen sich vom Terror abgrenzen

Kay-Alexander Scholz15. Januar 2015

Deutlich hat Angela Merkel die zweite Phase nach dem Terror von Paris eingeläutet und politische Konsequenzen angekündigt. Auch eine neue Vorratsdatenspeicherung ist im Gespräch.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/F. Bensch

Welcher Islam sei gemeint? Warum werde der Wert eines einzelnen Menschenlebens so gering geschätzt? Wie kann man der Aussage folgen, dass die Mörder nichts mit dem Islam zu tun haben, sie ihre Terrortaten aber doch damit begründeten? Das seien Fragen, die ihr von Menschen gestellt würden, und das seien "berechtigte Fragen", sagte Angela Merkel in einer Regierungserklärung zum Anschlag von Paris im Bundestag. Eine Klärung dieser Fragen von der "Geistlichkeit des Islam" halte sie für "wichtig und dringlich, ihr kann nicht länger ausgewichen werden".

Auch in einem anderen Punkt hat die Bundeskanzlerin die Verunsicherung der Bürger in Deutschland nach dem Terror von Paris aufgegriffen. Es dürfe kein falsches Verständnis für die Terroristen geben. Zurücksetzung, eine misslungene Kindheit - das überzeuge sie nicht. Ebenso wenig, wenn gesagt werde, es sei "Reiligion im Spiel". Vielmehr lägen die Beweggründe für Terrorakte darin, sich über andere stellen zu wollen, sich als Stellvertreter Gottes zu sehen oder einer angebliche historischen Mission zu folgen. "Das ist für mich Gotteslästerung", so Merkel. Jeder Terrorist wisse, dass er unschuldige Menschen treffe. Er handle gemäß einer persönlichen Entscheidung, für die er Konsequenzen zu tragen haben.

"Wir brauchen eine Vorratsdatenspeicherung"

Merkel kündigte einen Neun-Punkte-Plan an, mit dem Deutschland auf die wachsende Terrorgefahr reagieren will. Hassprediger, Gewalttäter und deren Hintermänner sollen mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden. Zuvor hatte Merkel schon betont, dass Freiheit und Toleranz nicht bedeuteten, wegzusehen oder mit zweierlei Maß zu messen, wenn versucht werde, die Scharia über das Grundgesetz stellen zu wollen. Die Bundesregierung werde die UN-Resolution vom vergangenen Herbst gegen Terrorismusfinanzierung in Kürze umsetzen. Die Einführung eines Ersatzpersonalausweises, um Bürger an einer Ausreise zum Terrorkampf zu hindern, ist auf den Weg gebracht. Auf EU-Ebene werde an Maßnahmen gegen den Waffenhandel und zum Abgleich von Flugpassierdaten gearbeitet. Die Sicherheitsbehörden sollen mehr Geld bekommen, um ihre Arbeit unter veränderten Rahmenbedingungen machen zu können.

Außerdem sprach sich die Bundeskanzlerin für eine neue Regelung zur Vorratsdatenspeicherung aus. Sie schließe sich der breiten Überzeugung der Innenminister der Länder an, "dass wir so etwas brauchen". Deutschland solle deshalb verstärkt darauf drängen, dass eine überarbeitete Richtlinie der EU zügig vorgelegt werde, um sie anschließend in deutsches Recht umzusetzen. Bisher war vor allem bei Merkels Koalitionspartner SPD die Skepsis groß gegenüber einer Vorratsdatenspeicherung. Doch inzwischen zeigt sich auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dafür aufgeschlossen.

Der Informationsaustausch der Nachrichtendienste auch über Ländergrenzen hinweg bleibe zudem "absolut unverzichtbar" - unter der Maßgabe einer Balance aus Freiheit und Sicherheit, führte Merkel weiter aus. Durch Erziehung zu Toleranz und Demokratie müsse zudem versucht werden, bei dem Menschen den Boden für Terrorismus zu entziehen. Die Gesellschaft müsse "wachgerüttelt" werden. "Demokratie als Lebensprinzip", also Hilfe zu leisten, Verantwortung zu übernehmen, die Erfahrung gebraucht und respektiert zu werden, sei ein "Gegenentwurf zur Welt des Terrorismus und stärker als dieser".

Bundestag Schweigeminute für Opfer des Anschlag in Paris (Foto: Reuters)
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestaes bei der Schweigeminute für die Opfer der Anschläe von ParisBild: Reuters/F. Bensch

"Wir lassen uns nicht spalten"

Neben diesen Plänen zu politischen Folgen des Anschlags von Paris stellte Merkel in ihrer Rede zwei Punkte besonders heraus. Sie bezeichnete die Pressefreiheit gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes als einer der "größten Schätze unserer Gesellschaft". Untrennbar damit verbunden sei die Meinungsfreiheit der Bürger, die sich durch die Pressefreiheit ein eigenes Urteil bilden könnten. Dies unterscheide den Bürger vom Untertan.

Zudem stellte Merkel den Anschlag von Paris auch in Zusammenhang mit Antisemitismus. Zwei der großen Übel dieser Zeit seien dabei Hand in Hand gegangen: der mörderische islamistische Terrorismus und der Hass auf Juden. Doch auch für Deutschland müsse gelten, "mit allen Mitteln gegen antisemitische Straftaten" vorzugehen. Das sei eine "staatliche und bürgerliche Pflicht".

Dies gelte genauso für Angriffe auf Moscheen. "Wir lassen uns nicht spalten", sagte Merkel, auch indem Muslime unter Generalverdacht gestellt würden. "Jeder Generalverdacht verbietet sich", sagte Merkel wohl auch besonders in Richtung der Pegida-Bewegung gegen "eine Islamisierung des Abendlandes". Als Reierunschefin nehme sie die Muslime in Schutz - und das täten alle im Bundestag.

Die Abgeordneten des Bundestags hatten sich zuvor zu einer Schweigeminute von ihren Plätzen erhoben, um der Opfern von Paris zu gedenken.