Merkel pocht auf mehr Marktzugang in China
11. Juni 2020Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für einen besseren Marktzugang und die Gleichbehandlung deutscher und anderer ausländischer Unternehmen in China eingesetzt. Bei einer Videokonferenz mit Ministerpräsident Li Keqiang machte Merkel nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert deutlich, dass hier weitere Schritte nötig seien. Das angestrebte ambitionierte Investitionsabkommen, über das die EU und China verhandeln, sei dabei ein wichtiges Element.
Ausbau der Wirtschaftskooperation
Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Bewältigung der Corona-Pandemie und der Ausbau der Wirtschaftskooperation. Merkel habe Deutschlands Interesse an einem freien Handel, einer Stärkung der Welthandelsorganisation (WTO) sowie an einem stabilen bilateralen Austausch unterstrichen, teilte Seibert weiter mit. Investitions- und Handelsfragen in verschiedenen Wirtschaftssektoren einschließlich des Bereichs der öffentlichen Aufträge sowie aktuelle Themen der Weltwirtschaft hätten eine Rolle gespielt. An den Gesprächen nahm auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier teil. Am Rande wurden drei Kooperationsabkommen zwischen deutschen und chinesischen Partnern unterzeichnet.
Trotz der Ungewissheiten für deutsche und europäische Unternehmen in China durch die schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gibt es große Erwartungen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder vorangebracht werden kann. Derzeit vergibt China allerdings aus Angst vor einer Einschleppung des Virus keine normalen Visa mehr, die Wirtschaft leidet unter den Reisebeschränkungen. Nachdem sich die EU zunächst enttäuscht über die Fortschritte in den Verhandlungen über das Investitionsabkommen geäußert hatte, gab es auch die Hoffnung, dass Merkels Gespräche mit Li Keqiang neue Impulse geben könnten. Die deutsche Industrie hofft auf einen Abschluss noch in diesem Jahr. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, sagte, an erster Stelle stünden deutliche Verbesserungen beim Marktzugang sowie faire Bedingungen für den Wettbewerb mit Chinas Staatsunternehmen.
Die Situation in Hongkong
Merkel und Li hätten auch den deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog und die Lage in Hongkong erörtert, berichtete Regierungssprecher Seibert weiter. Angesichts der Spannungen in der Sonderverwaltungszone Hongkong hatte die Bundesregierung in den vergangenen Wochen wiederholt an Peking appelliert, weiterhin Rechte und Freiheiten für die Bürger dort zu gewährleisten. Menschenrechtspolitiker hatten gefordert, dass Chinas umstrittene Pläne für ein Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong verurteilt werden müssten.
Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg begrüßte, dass Merkel die "besorgniserregende Situation in Hongkong" angesprochen habe. Es sei an der Zeit, den Druck auf Peking auch öffentlich weiter zu erhöhen. Die Taktik der diskreten Einflussnahme auf Peking sei gescheitert, sagte Teuteberg. "Offensichtlich schert sich Peking nicht um Abkommen und Versprechen." Gerade in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sei es geboten, die Verletzung von Menschenrechten und Völkerrecht klar zu benennen. Die Unionsfraktion appellierte an China, den Sonderstatus Hongkongs voll zu respektieren. Der Obmann für Außenpolitik, Roderich Kiesewetter sagte, China habe für die Zeit nach Übergabe der britischen Kronkolonie 1997 vertraglich umfassende Sonderrechte bis 2049 zugesagt. Die Autonomie Hongkongs gemäß dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" sei nicht verhandelbar. Das chinesische Sicherheitsgesetz stelle jedoch einen Angriff auf dieses Prinzip dar.
Das Gesetz wäre aus Sicht von Kritikern der bisher weitestgehende Eingriff in Hongkongs Autonomie. Es wendet sich gegen Aktivitäten, die Peking als subversiv ansieht und auf eine Unabhängigkeit abzielen könnten. Die prodemokratische Opposition fürchtet, dass sie zum Ziel des Gesetzes wird. Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong autonom als eigenes Territorium verwaltet. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der Volksrepublik - weitgehende Freiheiten und Rechte, um die sie jetzt aber zunehmend fürchten.
sti/sam (afp, dpa, rtr)