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Politik

Merkel rügt Agrarminister Schmidt für Glyphosat-Alleingang

28. November 2017

Für sein Glyphosat-Ja erntete Agrarminister Schmidt heftige Kritik und eine Rüge von Kanzlerin Merkel. Doch war das Votum für eine EU-Zulassung und der mögliche Eklat mit dem Umweltministerium von langer Hand geplant?

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Deutschland Berlin Dieselgipfel Christian Schmidt und Angela Merkel (Foto: picture-alliance/dpa/M. Kappeler)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Das entsprach nicht der Weisungsgrundlage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war", machte die Bundeskanzlerin in Berlin deutlich. Union und SPD hätten eine andere Geschäftsordnung verabredet. Diese gelte auch für die geschäftsführende Bundesregierung. "Das ist etwas, was sich nicht wiederholen darf", sagte sie weiter. Allerdings hat der Vorgang offensichtlich keine personellen Konsequenzen für den CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Kanzlerin Angela Merkel sagte, dass sie in der Sache eher auf Schmidts Seite stehe als auf der von SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks. 

Der CSU-Politiker hatte zuvor sein umstrittenes Ja zu einer weiteren EU-Zulassung des Unkrautgifts Glyphosat verteidigt und erklärt, die Entscheidung allein getroffen zu haben. "Ich habe eine Entscheidung für mich getroffen und in meiner Ressortverantwortung", antwortete der CSU-Politiker in der ARD. Er trat damit Spekulationen entgegen, sein in der Bundesregierung nicht abgestimmtes Vorgehen sei möglicherweise in Absprache mit Merkel erfolgt. "Das sind Dinge, die man auf die Kappe nehmen muss. Dazu ist man da. Politiker, die nie entscheiden, ecken zwar nie an. Das sind aber auch nicht die, die das Land voranbringen", sagte Schmidt.

Seehofer vorab informiert 

CSU-Chef Horst Seehofer war wohl vorab über das geplante Ja im Bilde. Seehofer habe in einer Sitzung des bayerischen Kabinetts am Dienstag deutlich gemacht, dass er schon vorab von Schmidts geplanter Zustimmung wusste, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in München übereinstimmend mit mehreren Teilnehmern der Sitzung.

Lange geplanter Coup?

Schmidt hatte zuvor seine Entscheidung, für die Freigabe des möglicherweise krebserregenden Mittels für weitere fünf Jahre zu stimmen, als "rein sachorientiert" verteidigt, trotz eines Einspruchs von Umweltministerin Hendricks, die explizit gegen eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung war und ist. Der Landwirtschaftsminister rechtfertigte sein Votum damit, dass ansonsten die EU-Kommission die Zulassungsverlängerung beschlossen hätte. So habe er erreicht, den Glyphosat-Einsatz "für privaten Gebrauch und für andere Gebräuche zu reduzieren". Generell solle in Deutschland der Glyphosat-Einsatz stark reglementiert werden.

Offenbar wurde im Bundeslandwirtschaftsministerium schon mehrere Monate darauf gedrungen, Glyphosat auf europäischen Äckern zuzulassen. Laut Einträgen interner Ministeriumsakten, die WDR, NDR und der "Süddeutsche Zeitung" (SZ) vorliegen, sprach das zuständige Fachreferat für Pflanzenschutz im Sommer dem Landwirtschaftsminister Schmidt eine Empfehlung aus zu prüfen, ob man dem Vorschlag der EU-Kommission "eigenverantwortlich" zustimmen könne - also ohne das Einverständnis des Bundesumweltministeriums. Die Fachabteilung habe demnach sogar empfohlen, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Weisung zu erwirken, um unabhängig vom Umweltministerium votieren zu können. Ob tatsächlich das Bundeskanzleramt eingebunden war, lässt sich dagegen nicht ersehen, da die Akteneinsicht vom Agrarministerium an mehreren Stellen verwehrt wurde.

Plötzliche Kehrtwende

Anderthalb Jahre haben die EU-Staaten in Brüssel um eine Entscheidung gerungen. Deutschland stimmte bisher im zuständigen EU-Ausschuss nicht mit, weil die Koalitionsregierung aus SPD und Union nicht zueinander fand. In diesem Fall sieht die Geschäftsordnung der Bundesregierung eine Enthaltung vor. Hätte sich Deutschland bei der Abstimmung am Montag enthalten, wäre dies einer faktischen Ablehnung gleichgekommen, und eine nötige qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten wäre für den Vorschlag der EU-Kommission nicht zustande gekommen. Die EU-Kommission hätte Glyphosat also im Alleingang genehmigen müssen.

Heftige Kritik kam nach Schmidts unerwartetem Votum von der SPD, und dies sorgt für politischen Sprengstoff. Sein Votum sei ein "glatter Vertrauensbruch" und eine schwere Belastung für die anstehenden Gespräche über eine mögliche weitere Zusammenarbeit mit der Union.

Hendricks fordert "vertrauensbildende Maßnahme"

Hendricks dringt nun auf eine vertrauensbildende Maßnahme von Seiten der Union. Bundeskanzlerin Merkel "muss dafür sorgen, dass der jetzt ja wirklich große Vertrauensverlust, der jetzt eingetreten ist, geheilt wird", sagte sie im Deutschlandfunk. Sonst hätten Gespräche über eine gemeinsame Regierungsbildung "keinen Zweck". Welche Maßnahme dies sein könne, ließ die Umweltministerin offen. Eine Möglichkeit wäre nach ihren Worten, Schmidt als Minister zu entlassen. Darüber müsse aber Merkel entscheiden. Auf jeden Fall aber müsse es jetzt eine Maßnahme der Kanzlerin geben, "die es überhaupt ermöglicht, sinnvolle Gespräche zu führen", sagte sie mit Blick auf eine mögliche Zusammenarbeit von Union und SPD.

Glyphosat Symbolbild (Foto: picture-alliance/dpa/P. Pleul)
Das Herbizid Glyphosat gilt nicht nur als Bedrohung für die Artenvielfalt, sondern ist möglicherweise krebserregendBild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Monsanto "enttäuscht" von Abstimmung über Herbizid

Der US-Agrarkonzern Monsanto und weitere Hersteller von Glyphosat reagierten insgesamt "tief enttäuscht" auf die EU-Entscheidung. Zwar hätten die Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit im Berufungsausschuss für eine erneute EU-Zulassung von Glyphosat gestimmt, erklärte die Herstellervereinigung GTF. "Der Genehmigungszeitraum beträgt aber lediglich fünf Jahre." Der Zusammenschluss sprach außerdem von einer "diskriminierenden Entscheidung", die nicht der wissenschaftlichen Bewertung des Wirkstoffes entspreche. Das Ergebnis der Abstimmung sei vielmehr "das Resultat einer fehlgeleiteten öffentlichen Meinung und von politischer Einflussnahme", empörte sich der Herstellerverband. Untersuchungen hätten ergeben, dass von Glyphosat "keine unvertretbaren Risiken ausgehen". 

Die Meinungen von Experten über die möglicherweise krebserregende Wirkung von Glyphosat gehen auseinander. Unabhängig davon gilt Glyphosat nach Einschätzung von Umweltschützern allerdings auch als Gefahr für die Artenvielfalt, besonders für Insekten und Vögel. Für die Landwirte ist Glyphosat hingegen ein effizientes und kostengünstiges Mittel. 

sam/se (AFP, dpa, rtr)