1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundestags-Theater

Bernd Gräßler18. September 2008

Der Kanzler-Etat für das kommende Jahr ist in Deutschland traditionell Anlass für eine regierungskritische Debatte im Bundestag. Doch was passiert, wenn die zwei großen Kontrahenten in einer großen Koalition sind?

https://p.dw.com/p/FK2D
Bundekanzlerin Angela Merkel im Bundestag (Quelle: AP)
Scheint zufrieden: Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrer Rede im Bundestag am Mittwoch (17.9.2008)Bild: AP

Die vorzeitige Nominierung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat hat die Weichen in Deutschland längst auf Wahlkampf gestellt. In aller Öffentlichkeit fliegen zwischen den großen Parteien bereits die "Giftpfeile" und man spricht sich gegenseitig die Regierungsfähigkeit ab. Doch in der Bundestagsdebatte lobte Kanzlerin Merkel die Koalition für die gute Zusammenarbeit bei der Haushaltskonsolidierung: "Und deshalb möchte ich allen, die daran mitwirken, und ganz besonders dem Bundesfinanzminister ein herzliches Dankeschön sagen."

Kritik an Großer Koalition

Der Fraktionschef der oppositionellen FDP, Guido Westerwelle, quittierte die Verbeugung Merkels vor dem sozialdemokratischen Finanzminister mit Hohn: "Das ist abenteuerlich, was ihr hier für ein Schauspiel veranstaltet. Aber die Bürgerinnen und Bürger sind viel zu klug, um das durchgehen zu lassen."

Guido Westerwelle (Quelle: AP)
Hohn und Kritik kamen von FDP-Fraktionschef Guido WesterwelleBild: AP

Die Liberalen, die vergeblich vorgezogene Neuwahlen fordern, sehen die große Koalition in entscheidenden Fragen handlungsunfähig. FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle sagte, die Regierung sei im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt und überlasse das Handeln der Linkspartei unter Oskar Lafontaine. "Eigentlich regiert schon Oskar Lafontaine dieses Land, er gibt den politischen Takt vor, und die historische Schuld an dieser Entwicklung trägt diese wankelmütige Regierung, der eine Orientierung fehlt", so Brüderle.

Beruhigende Worte zur Finanzkrise

Kanzlerin Angela Merkel griff - entgegen ihrer Gewohnheit - schon sehr früh in die Debatte ein, mit einigen offenbar beruhigend gedachten Worten zur internationalen Finanzkrise. Auch wenn Deutschland als offene Volkswirtschaft nicht von den Turbulenzen unberührt bleibe, sei das Engagement deutscher Banken in den USA glücklicherweise überschaubar. Und als Antwort könne es natürlich keine Abschottung Deutschlands von der globalisierten Weltwirtschaft geben. "Die Bundesregierung hat sich entschieden - und zwar von Beginn dieser Koalition an: Deutschland wird ein offenes Land bleiben, ein Land, dass sich der Welt zuwendet, ein Land, das seine Chancen nutzt. Und die Bundesregierung wird von diesem Kurs auch in der jetzigen Situation nicht ablassen", so Merkel.

Wohlstand und Bildung für alle

Die Bundeskanzlerin erinnerte an die deutsche Initiative während des G8-Gipfels in Heiligendamm für mehr Transparenz im internationalen Finanzsystem. Seitdem sei einiges in Gang gekommen bei Bewertungsverfahren, bei Aufsichtbehörden und bei einem verbesserten Verhaltenskodex der Rating-Agenturen. Sie forderte einen besseren Ordnungsrahmen im internationalen Finanzsystem, ohne Details zu nennen. Mit Blick auf das verbleibende Jahr ihrer Amtszeit kündigte die Kanzlerin Verbesserungen im deutschen Bildungswesen an. "Wohlstand für alle heißt heute: Bildung für alle. Und ich bin zutiefst überzeugt, dass es gerade dieses zentrale Aufstiegsversprechen ist, das die Menschen an die Kraft der sozialen Marktwirtschaft glauben lässt oder, wo sie es nicht tun, wieder glauben lässt", so Merkel.

Linke: Schere zwischen Arm und Reich wird größer

Gregor Gysi während seiner Rege im Bundestag (Quelle: AP)
Gregor Gysi glänzte in der Debatte als RednerBild: AP

Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, verwies darauf, dass sich unter der Großen Koalition die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet habe. Beim durchschnittlichen Realeinkommen sei Deutschland in Europa weiter zurückgefallen. Die Linke, die sich im bevorstehenden Wahlkampf vor allem als die Friedenspartei profilieren möchte, warnte mit Blick auf den Krieg in Georgien davor, die NATO bis an die Grenzen Russlands zu treiben. "Man muss ja auch wissen, dass Russland ein Sicherheitsdenken hat. Das fing schon mit den Stationierungen in Polen und Tschechien an, und jetzt die Ausweitung der NATO. Lassen Sie das doch einfach bleiben. Wir sind doch froh, den Kalten Krieg los zu sein. Wir müssen ihn doch nicht unsererseits wieder mitorganisieren", meint Gysi.

Ebenso wie FDP-Chef Westerwelle glänzte der Linken-Fraktionschef Gysi in der Debatte als Redner. Und die Große Koalition musste ein weiteres Mal voller Bedauern feststellen, dass - wenn die Ergebnisse schon mager sind - man diese wenigstens besser verkaufen sollte.