Merkel und Nieto: Hilfe im Drogenkrieg
12. April 2016Seit mehreren Wochen wirbt Mexiko vor dem Berliner Hauptbahnhof. "Entdecke Mexiko" lockt der Ausstellungspavillon. Besucher können in interaktiven Touren mit einem Heißluftballon über Mexico City fliegen und sich in traditioneller mexikanischer Kleidung ablichten lassen. Draußen gibt es Tacos, Tortillas und Tequila. Imagepflege für Mexiko - mitten in Berlin.
Um Imagepflege geht es auch beim Besuch des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto. Denn es gibt massive Kritik an seiner Regierung: Seit Beginn seiner Amtszeit Ende 2012 sind über 94.000 Menschen in Mexiko getötet worden, 25.000 weitere gelten als vermisst, so die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH). Die meisten Opfer gingen auf das Konto des organisierten Verbrechens und fast alle Taten blieben unaufgeklärt. Aber auch dem Staat werfen die Menschenrechtsaktivisten den Drogenkrieg, Korruption und Folter vor. Das nagt am Ruf des Landes.
Den will der mexikanische Präsident bei seinem zweitägigen Deutschlandbesuch aufpolieren. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gab er den Startschuss für das deutsch-mexikanische Jahr, für das Ausstellungen, Konzerte, Industrie- und Tourismusmessen geplant sind. Die beiden Staaten wollen in Zukunft ihre Beziehungen weiter intensivieren, sagten Merkel und Peña Nieto bei ihrem Treffen.
Fokus auf Sicherheit
"Wir haben über die innere Sicherheit, über die organisierte Kriminalität gesprochen, wir haben über die Polizei gesprochen, und ich habe angeboten, dass wir hier unsere Erfahrungen austauschen können“, resümierte Merkel. Deutschland und Mexiko planen seit längerem ein gemeinsames Sicherheitsabkommen. Peña Nieto räumte Defizite bei der inneren Sicherheit ein: Zu viele lokale Polizeistrukturen agierten nebeneinander, das sei nicht effektiv.
Konkret will die Bundesregierung der mexikanischen Polizei im Krieg gegen die Drogenkartelle unter die Arme greifen und beim Aufbau einer unabhängigen Polizei helfen. Auch sollen Soldaten ausgebildet werden, die als UN-Blauhelme eingesetzt werden sollen. Für den Großteil der Gewalt in Mexiko sind Drogenkartelle und Verbrecherbanden verantwortlich, aber auch Polizei und Militär sind immer wieder in Menschenrechtsverletzungen verwickelt.
Proteste gegen Polizeifolter
Während Peña Nieto und Angela Merkel im Kanzleramt zusammenkommen, protestiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International davor. Die Demonstranten erinnern an die 43 Studenten, die seit September 2014 in Mexiko verschwunden sind. Nach Angaben von Amnesty International wurden sie von der lokalen Polizei verschleppt. Eine Leiche wurde später gefunden: Die Gesichtshaut abgezogen, die Augen ausgedrückt. Die Staatsanwaltschaft hat die Gesuchten später offiziell für tot erklärt - das Verbrechen ist bis heute nicht aufgeklärt.
Amnesty International hat die Bundeskanzlerin in einem Offenen Brief aufgefordert, Folter und Misshandlungen durch Mexikos Polizei und Militär beim Treffen mit dem Präsidenten deutlich anzusprechen.
Auch das deutsch-mexikanische Sicherheitsabkommen sieht die Organisation kritisch. "Amnesty und zahlreiche andere Organisationen haben dokumentiert, dass die Polizei in Mexiko für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist: Folter, Verschwinden lassen, Vergewaltigungen. Da muss sich die deutsche Polizei natürlich die Frage stellen, wie man mit einer solchen Polizei zusammenarbeiten kann", so Amnesty-Mitarbeiterin Maja Liebing zur Deutschen Welle. Es müsse sichergestellt sein, dass sich Deutschland nicht zum Komplizen der Menschenrechtsverletzungen mache.
Enge Handelsbeziehungen
Die Demonstranten vor dem Kanzleramt fordern, dass die deutsche Regierung mehr politischen Druck auf Mexiko ausübt, um Menschenrechte durchzusetzen. Die Macht dazu hätte die Bundesregierung: Deutschland ist Mexikos fünftgrößter Handelspartner. 1700 deutsche Unternehmen sind in Mexiko ansässig - unter anderem unterhält Volkswagen sein zweitgrößtes Werk weltweit im mexikanischen Puebla. Auch Großkonzerne wie Bayer und BASF produzieren in Mexiko, denn die Löhne sind niedrig und durch die Freihandelszone zwischen Mexiko und den USA gelangen die Waren zollfrei auf einen der größten Märkte der Welt.
Ob die Bundeskanzlerin gewillt ist, hier den politischen Hebel anzusetzen, hat sie nicht gesagt.