Merkel unterstützt Cameron
24. Januar 2013Die Briten sind traditionell skeptisch gegenüber Europa. Doch mit seiner Ankündigung, 2017 das Volk entscheiden zu lassen, ob es weiterhin in der Europäischen Union bleiben will, hat David Cameron viele überrascht und verärgert. Martin Schulz, der Präsident des EU-Parlaments, warf Cameron vor, er spiele "ein gefährliches Spiel aus taktischen, innenpolitischen Gründen".
Am Tag nach seiner Grundsatzrede zu Europa hatte Cameron seinen Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Der britische Premier versuchte gar nicht erst, versöhnlichere Töne anzuschlagen, sondern präzisierte seine Kritik an der EU. "Wir verlieren den Anschluss an die Welt. Wir regulieren unsere Unternehmen zu stark, wir treiben ihre Kosten in die Höhe und schaden so unseren Bürgern." Nur durch stärkeren Wettbewerb könne es wieder aufwärts gehen, Wettbewerbsfähigkeit sei die Voraussetzung für Wohlstand.
Wer soll das bezahlen?
Angela Merkel, die wenige Stunden nach Cameron in Davos die Bühne betrat, scheint Camerons Kritik grundsätzlich zuzustimmen. Die Bundeskanzlerin verlor kein Wort über einen möglichen Ausstieg Großbritanniens aus der EU, widmete aber einen Großteil ihrer Rede dem Thema Wettbewerbsfähigkeit. "Europa hat etwa sieben Prozent der Weltbevölkerung. Europa ist für knapp 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung verantwortlich. Und Europa hat 50 Prozent der weltweiten Sozialausgaben", so Merkel. "Wir können unseren Wohlstand nur halten, wenn wir innovativ sind und uns an den Besten orientieren."
"Weil mein Kollege David Cameron heute hier auch gesprochen hat, will ich das ausdrücklich sagen", so Merkel weiter, "das Thema der Wettbewerbsfähigkeit ist ein zentrales Thema für den Wohlstand Europas in der Zukunft."
So weit, so einträchtig. Allerdings wird Merkels Lösungsvorschlag für Cameron wenig überzeugend geklungen haben. Die Kanzlerin plädierte in Davos für einen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit", der so ähnlich funktionieren soll wie der Fiskalpakt: Die nationalen Regierungen verpflichten sich gegenüber der europäischen Kommission vertraglich, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. "Dabei wird es um Dinge gehen wie Lohnzusatzkosten, Lohnstückkosten, Forschungsausgaben, Infrastruktur und die Effizienz der Verwaltung", so Merkel. Weil all diese Dinge in nationaler Hoheit der EU-Staaten liegen, müssten die Parlamente den Verträgen und Vorgaben zustimmen.
Absehbarer Streit
Ein Wettbewerbspakt klingt wie ein weiteres Brüsseler Klassenzimmer - mit blauen Briefen, schlechten Noten und viel Streit über die richtige Auslegung der Regeln. Und es braucht nicht viel Fantasie, sich den Streit vorzustellen, sollte Brüssel den EU-Staaten in Zukunft vorschreiben wollen, wie hoch die Löhne oder die Forschungsausgaben zu sein haben.
David Cameron hatte dagegen gesagt, Gleichmacherei sei nicht sinnvoll. "Ein gemeinsamer politischer Wille ist viel wichtiger als der endlose Aufbau immer neuer, zentralisierter Institutionen, die unser Volk ablehnt."
Großbritannien sei bei allen wichtigen europäischen Fragen an vorderster Front mit dabei - dem Streben nach Wettbewerbsfähigkeit, dem Krieg gegen den Terrorismus, dem Kampf gegen den Klimawandel." Hier sei gemeinsames Handeln gefragt. Eine zentralisierte politische Union sei dagegen nichts - "weder für mich, noch für Großbritannien", so Cameron.
Regulierung adieu?
Angesichts solcher Unterschiede ist es fraglich, ob Merkels Unterstützung in Sachen Wettbewerb die Kluft zwischen Großbritannien und der restlichen EU kitten kann. Beide, Merkel und Cameron, sprachen sich für eine Bekämpfung der Steuerflucht aus. Allerdings scheint Merkel bei der Regulierung des Finanzsektors weiter gehen zu wollen, als es Cameron lieb ist. "Kurz nach der Finanzkrise 2009 waren wir uns alle einig, dass jeder Finanzplatz, jeder Finanzmarktakteur und jedes Finanzprodukt reguliert werden muss", so Merkel. "Wir sind heute weit davon entfernt."
Cameron dagegen sagte, er wolle sich während Großbritanniens G8-Vorsitz vor allem den Themen Handel, Besteuerung und Transparenz widmen. Von zusätzlichen Auflagen für die Londoner City sagte Cameron nichts.