Waffen gegen IS-Gewaltherrschaft
1. September 2014Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die geplanten Waffenlieferungen an die Kurden im Irak mit der Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gerechtfertigt. Der IS habe in den vergangenen Wochen "unfassbare Gräueltaten" begangen, sagte Merkel in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. "Alles, was nicht ihrem Weltbild entspricht, räumen sie grausam aus dem Weg. Hier wird eine Religion in furchtbarer Weise missbraucht, um Mord, Terror und Gewaltherrschaft zu legitimieren."
Gefahr auch für Deutschland und Europa
Die Waffenlieferung rechtfertigte sie auch mit der Gefahr, die von der Terrormiliz IS für Deutschland und Europa ausgehe. Der Konflikt destabilisiere Nachbarländer wie Jordanien und die Türkei. "Eine so weitreichende Destabilisierung einer ganzen Region wirkt sich auch auf Deutschland und Europa aus." Die Kanzlerin verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es unter den islamistischen Kämpfern in Syrien und Irak auch rund 400 Deutsche gebe. Daher könne der IS-Terror die Bundesrepublik nicht kaltlassen.
Die Regierung habe ihre Entscheidung "sehr sorgsam abgewogen", so die CDU-Vorsitzende weiter. Sie sei sich auch der Risiken bewusst. Die Kanzlerin fügte aber hinzu: "Das, was ist, wiegt in diesem Fall schwerer als das, was sein könnte." Sie sagte ferner eine zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak zu: "Dort wo Menschen in Not sind, werden wir helfen auch durch zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen."
Gysi: Dem IS den Geldhahn zudrehen
Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung scharf. Er wies auf die unterschiedlichen Gruppierungen im dem Krisengebiet im Irak hin. Es sei nicht kontrollierbar, in welche Hände die Waffen letztlich fielen. Gysi forderte Merkel auf, dem IS den Geldhahn abzudrehen. Die finanziellen Mittel für die Terrorgruppe kämen aus der Türkei, Saudi-Arabien oder Katar. Dies gelte es zu unterbinden. Zudem sprach er sich für mehr humanitäre Hilfe für die Region aus. Dass die Debatte am Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs stattfand, bezeichnete Gysi als beschämend.
Die Bundesregierung hatte am Sonntagabend veröffentlicht, welche Waffen an die Kurden im Nordirak geliefert werden sollen. Dazu gehören Panzerabwehrwaffen, mehrere Tausend Sturm- und Maschinengewehre, Pistolen und Handgranaten. Zudem wird militärische Schutzausrüstung bereitgestellt.
Waffen für etwa 70 Millionen Euro
Unter Merkels Leitung hatte am Sonntagabend eine Ministerrunde beschlossen, die Kurden für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Waffen aus den Beständen der Bundeswehr auszurüsten. Die Lieferung in ein Krisengebiet soll aber eine Ausnahme bleiben. Die Waffen haben einen Gesamtwert von etwa 70 Millionen Euro.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigte die vorgesehenen Lieferungen als Nothilfe, auch wenn man nicht genau wisse, was später mit den Waffen passiere. Für ihn persönlich sei dabei die Gefahr eines fortgesetzten Völkermordes und weiterer Verbrechen gegen die Menschlichkeit eindeutig höher zu bewerten als das Risiko, dass unsere Waffen in falsche Hände gerieten. Kritiker der Lieferungen rief Oppermann dazu auf, das "Gerede" vom Tabubruch einzustellen. Die Lieferungen seien eine Ausnahme, kein Tabubruch. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte schon zuvor versprochen, dafür Sorge zu tragen, dass in Kurdistan keine Waffenlager angelegt werden.
Keine echte Mitsprache der Abgeordneten
Abgestimmt wird im Bundestag über einen Entschließungsantrag, mit dem die schwarz-rote Koalition die Bundesregierung unterstützt. Dies hat aber nur symbolische Bedeutung. Ein echtes Mitspracherecht - wie zum Beispiel bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr - hat das Parlament in diesem Fall nicht. Die Entsendung von deutschen Kampftruppen in den Irak schließt die Bundesregierung strikt aus.
Die Lieferungen sollen noch in diesem Monat anlaufen. Dazu gehören unter anderem 30 Panzerabwehrwaffen vom Typ "Milan" mit insgesamt 500 Raketen, insgesamt 16.000 Sturmgewehre vom Typ G3 und G36 sowie 10.000 Handgranaten. Die Kurden bekommen auch 40 Maschinengewehre sowie je 4000 Schutzwesten und Helme. Einige von ihnen sollen in der Infanterieschule im bayerischen Hammelburg ausgebildet werden. Mit den Waffen sollen in einem ersten Schritt 4000 und insgesamt mehr als 10.000 Kämpfer der 100.000 Mann starken Peschmerga-Armee ausgerüstet werden.
sti/fab (dpa afp, rtr)