Merkel: "Ein Anlass für Scham"
19. Juni 2021Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Jahrestag des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die damalige Sowjetunion als "Anlass für Scham" bezeichnet. "In Demut verneigen wir uns vor den wenigen heute noch lebenden Überlebenden dieses Angriffskriegs", sagte die CDU-Politikerin in ihrem Videopodcast. "Und wir sind zutiefst dankbar, dass so viele dieser Menschen uns die Hand zur Versöhnung gereicht haben. Dass sie dazu bereit waren, grenzt an ein Wunder, nach allem, was Deutsche ihnen angetan haben."
Am Dienstag jährt sich zum 80. Mal der Überfall der Wehrmacht, der von den Nationalsozialisten unter dem Decknamen "Unternehmen Barbarossa" vorbereitet worden war. Damit begann der deutsch-sowjetische Krieg, den das NS-Regime bis zur bedingungslosen Kapitulation 1945 fortsetzte.
"Bleibende Verantwortung für Nazi-Verbrechen"
Merkel sagte, vor allem in Russland, der Ukraine und Belarus, aber auch im Baltikum und anderen damaligen Sowjetrepubliken hätten mehr als 20 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Deutschland bekenne sich zur "bleibenden Verantwortung für die Verbrechen der Nazi-Herrschaft". Es dürfe kein Vergessen geben, so die Kanzlerin.
Vor allem die Politik des früheren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow habe 1990 die friedliche Vereinigung des geteilten Deutschlands ermöglicht, ebenso die zivilgesellschaftlichen Verbindungen, die sich seither zwischen den einstigen Kriegsfeinden entwickelt hätten.
"Umso mehr schmerzt uns, wie in jüngster Zeit zivilgesellschaftliches Engagement in Russland, aber auch in Belarus, eingeschränkt, ja unmöglich gemacht wird", sagte die Kanzlerin. "Wenn friedliche Demonstranten und missliebige Oppositionelle weggesperrt werden, belastet das unsere Beziehungen schwer."
Mit der russischen Annexion der Krim und der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine sei Völkerrecht gebrochen worden. Dies sei für Deutschland und die gesamte Europäische Union nicht akzeptabel. Merkel unterstrich aber zugleich die historischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Moskau und dem Westen. "Wir brauchen auch weiterhin den Dialog mit Russland", sagte sie. Deutschland sei auf internationale Zusammenarbeit angewiesen - das habe die Corona-Pandemie wieder gezeigt, und es gelte erst recht für den Kampf gegen den Klimawandel.
jj/kle (dpa, afp, epd)