Flammende Rede für den Multilateralismus
16. Februar 2019"Multilateralismus ist besser als jeder für sich" - mit diesem Satz beendete Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Rede. Und die Kanzlerin hatte damit offenbar die Gedanken und Ansichten vieler Gäste der Veranstaltung ausgedrückt: Es gab langanhaltenden Applaus und stehende Ovationen.
Mehr als 30 Minuten lang machte Merkel an Hand zahlreicher Beispiele deutlich, dass sie von nationalen Alleingängen in einer immer komplexeren und immer stärker vernetzten Welt nichts hält. In sehr offensichtlicher Anspielung auf die Politik von US-Präsident Donald Trump warnte die Kanzlerin vor einem Zerfall der internationalen politischen Strukturen. "Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen", so die CDU-Politikerin.
Deutlicher Widerspruch zur US-Politik
Ob in bei der deutsch-russischen Gas-Pipline Nord Stream 2, dem Atomabkommen mit dem Iran oder bei der Kündigung des INF-Abrüstungsvertrags - in so gut wie allen Punkten übte die Bundeskanzlerin sachliche Kritik an der aktuellen Außen- und Handelspolitik der USA.
Besonders deutlich wurde Merkel beim Thema der geplanten US-Strafzölle für deutsche Autos. So sei das US-Handelsministerium offensichtlich zu der Einschätzung gekommen, dass europäische Autos eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellten. Das sei für Deutschland erschreckend und nicht verständlich betonte Merkel. Schließlich stehe etwa das größte BMW-Werk weltweit im US-Bundesstaat South Carolina. "Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander", sagte die Kanzlerin an Washington gewandt.
Merkel warnt vor Abzug aus Afghanistan
Auch die NATO sei mehr als nur ein Verteidigungsbündnis, sie sei eine Wertegemeinschaft, die auch heute stark gebraucht werden, sagte Merkel und verwies auf die Vermittlungsarbeit des Bündnisses beim Namensstreit um Nordmazedonien. Mit Blick auf die aus Washington geforderte Erhöhung der Verteidigungsausgaben für die NATO betonte die Kanzlerin, es dürfe nicht nur auf eine Summe geschaut werden, auch das militärischen Engagement eines Landes müsse Beachtung finden.
So sei Deutschland bereits seit 18 Jahren in Afghanistan aktiv, sagte Merkel und nutzte die Gelegenheit, vor den Folgen eines schnellen Abzugs der US-Truppen aus dem Land zu warnen. Trump hatte einen Teilabzug eigener Soldaten aus Afghanistan ins Spiel gebracht und damit Verbündete vor den Kopf gestoßen.
Merkel: Kein Ausstieg aus dem Atomabkommen
Auch die Syrien- und Iran-Politik der USA bedachte die Kanzlerin mit Kritik. So verfolgten die USA und Europa in der Region eigentlich das gleiche Ziel: "die schädlichen Wirkungen des Iran einzudämmen". Der einseitige Abzug der USA aus Syrien sowie der Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran drohe aber genau das Gegenteil zu erreichen. Einem Ausstieg der Europäer aus dem Atomabkommen erteilte Merkel eine Abfuhr.
US-Vizepräsident Mike Pence hatte diese Forderung zuvor in Warschau mit Nachdruck vorgetragen und namentlich Kritik an der Iran-Politik Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens geübt.
Gegenrede von Mike Pence
Auf der Sicherheitskonferenz sprach Pence als Folgeredner Merkels - und widersprach ihr in so gut wie allen Punkten. Die USA wollten den Iran mit härteren Sanktionen unter Druck setzen, betonte Pence. Der Vizepräsident lobte ausdrücklich alle europäischen Staaten, die sich gegen den Bau von Nord Stream 2 stellen und warnte Deutschland: "Wir können nicht die Verteidigung des Westens sicherstellen, wenn unsere Verbündeten sich vom Osten abhängig machen." Und auch in Sachen Verteidigungsausgaben pochte Pence weiter auf die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels.
cw/hk (afp, dpa, rtr)