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Merkels To-Do-Liste nach dem Urlaub

Kay-Alexander Scholz / Nina Werkhäuser15. August 2016

Tritt Angela Merkel noch einmal als Kanzlerin an? Die Entscheidung dürfte auch davon abhängen, wie sich die Krisen weiterentwickeln, die in Berlin auf sie warten. Denn Merkel ist schon jetzt angeschlagen.

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Symbolfoto To-Do-Liste für die Kanzlerin: Angela Merkel liest ein Dokument (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images/O.Andersen

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel an ihren Schreibtisch zurückkehrt, dann liegen dort einige altbekannte, sehr umfangreiche Dossiers für sie bereit. Betreff: Die Konflikte vor Deutschlands Haustür. Der Krieg in Syrien, die Kämpfe in der Ostukraine, das Verhältnis zur Türkei - hier hat sich in den vergangenen Wochen nichts verbessert, ganz im Gegenteil.

Beispiel Ukraine-Krise: Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist erneut eskaliert. Die jüngsten Spannungen betreffen die Halbinsel Krim, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat. Dort soll die Ukraine, so der Vorwurf Russlands, mithilfe von "Saboteuren" Anschläge geplant haben. Kiew wies die Anschuldigungen zurück, die von unabhängiger Seite nicht belegt werden konnten. Russland drohte mit Vergeltung, die Ukraine versetzte ihre Truppen in erhöhte Gefechtsbereitschaft - und das Thema kam auf die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats.

Ist diplomatisch noch etwas möglich?

In dieser spannungsgeladenen Situation sucht der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Beistand bei seinen wichtigsten europäischen Partnern, Deutschland und Frankreich. Angela Merkel hatte zusammen mit dem französischen Präsidenten Hollande im Februar 2015 das Minsker Abkommen zwischen Russland und der Ukraine vermittelt, einen Fahrplan zur Beendigung des Krieges in der Ostukraine. Die Umsetzung stockt schon länger.

Weitere Treffen in diesem sogenannten "Normandie-Format" hält der russische Präsident Wladimir Putin derzeit für "vollkommen sinnlos". Merkel wird weiter für eine diplomatische Lösung werben - für Druck auf Russland gepaart mit einem Dialog. Welche Gesprächsformate es zwischen Russland und der Ukraine noch geben könnte, dazu wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach seiner Russland-Reise am Montag möglicherweise Vorschläge machen.

Erdogan, der Unberechenbare

Voller Unwägbarkeiten ist auch das Verhältnis zur Türkei, dem Partner der EU beim Flüchtlingspakt. Seit dem gescheiterten Militärputsch baut Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht nur seine Macht im Land mit allen Mitteln aus. Er nutzt auch jede sich bietende Gelegenheit, Deutschland oder deutsche Politiker zu kritisieren.

Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan Bildkombo (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Kappeler/DW

Wie lange das Flüchtlingsabkommen, das Merkel immer gegen Kritik verteidigt hat, in dieser gereizten Stimmung noch hält, ist fraglich. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Flüchtlingsdrucks aus Syrien ist diese außenpolitische Frage für Merkel von essentieller innenpolitischer Bedeutung.

Die Flüchtlingskrise im Zaum halten

Eine Hauptaufgabe für Merkel dürfte daher sein, dafür zu sorgen, dass die Flüchtlingszahlen nicht wieder ansteigen. Denn mit ihrer Flüchtlingspolitik ist die Mehrheit der Deutschen nicht mehr zufrieden. Viel Luft hat sie dafür auch faktisch nicht. Denn noch immer kommen rund 16.000 Flüchtlinge pro Monat nach Deutschland. Das sind zwar sehr viel weniger als noch zu Jahresbeginn, als 90.000 Flüchtlinge einreisten. Insgesamt aber summiert sich die Zahl der Asylsuchenden im ersten Halbjahr auf mehr als 238.000. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge musste sein Ziel wohl auch deshalb aufgeben, alle Altfälle und neuen Flüchtlinge in diesem Jahr zu bearbeiten - jetzt rechnet man in der Behörde mit einem Überhang von 200.000 Fällen für 2017.

Merkel muss einen Plan entwickeln, was passiert, wenn aus der Türkei und Syrien erneut Zehntausende die Flucht nach Europa und Deutschland antreten. Auf breite Unterstützung der anderen EU-Partner kann sie nicht hoffen. Eine Mehrheit zu finden für eine gleichmäßige Verteilung über alle EU-Staaten sollte "außerordentlich schwierig" sein, schätzte Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu Beginn der Sommerpause ein. Auch alternative Verteilungsmechanismen sind seiner Einschätzung nach "noch nicht sicher". Paradoxerweise kann die Kanzlerin dabei einzig auf die Länder auf der Westbalkan-Route zählen, die bei ihrer Politik der geschlossenen Grenzen geblieben sind, also das machen, was Merkel für Deutschland gerade nicht wollte.

Den Streit mit der CSU befrieden

Eng verbunden mit der Flüchtlingskrise ist die Krise mit der Schwesterpartei, der bayerischen CSU, und ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer. Merkels Willkommenspolitik stand die CSU von Anfang an skeptisch gegenüber. Über die Monate steigerte sich das hin zu einer öffentlichen Standpauke für Merkel beim CSU-Parteitag oder der Androhung einer Verfassungsklage.

Unverkennbar: Merkels Raute und Seehofers Trotz (Foto: DPA)
Unverkennbar: Merkels Raute und Seehofers TrotzBild: picture alliance/dpa/U. Anspach

Jüngst legte Seehofer nach und brachte sich als Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2017 ins Gespräch. Seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung sind derzeit sehr gut, im Gegensatz zu Merkel, deren Werte nach den Anschlägen deutlich gesunken sind. Lange geht das nicht mehr gut. Denn beide Parteien brauchen einander. Für den Herbst sind erst einmal eine Reihe gemeinsamer Themen-Konferenzen geplant, um sich wieder anzunähern. Merkel muss inhaltliche Brücken bauen und der CSU strategisch die machtpolitische Option schmackhaft machen, sich nach der Bundestagswahl womöglich für ein Bündnis mit den Grünen im Bund zu öffnen.

Die AfD nicht noch stärker werden lassen

Wie gesagt, Merkels Popularität hat im vergangenen Jahr heftig gelitten. Auch die Werte für ihre Partei, die CDU, sind wieder im mageren 35-Prozent-Bereich gelandet. Gewinnen konnten dagegen die Rechtspopulisten von der AfD. Merkel darf sich damit nicht zufrieden geben. Es gibt Anzeichen dafür, dass sie das auch nicht vorhat. In ihrer Sommer-Pressekonferenz kündigte sie ein Maßnahmenpaket zur inneren Sicherheit an, das der Bundesinnenminister zuletzt genauer vorgestellt hat. Die Gesetze müssen nun auf den Weg und mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt werden.

Mit dem Thema "innere Sicherheit" soll verloren gegangenes Vertrauen bei Unionswählern zurückgewonnen werden. Neben Gesetzesinitiativen betrifft das auch das diskursive Feld der Asyl- und Integrationspolitik. Das darf nicht mehr wie bisher in weiten Teilen der AfD überlassen werden. Willkommen dürften oder sollten Merkel daher auch aus den eigenen Reihen kommende Debatten wie über ein Burka-Verbot sein. Auf dem CDU-Parteitag im Dezember wird das alles sicherlich eine wichtige Rolle spielen. Irgendwann muss Merkel sich auch dazu äußern, ob sie für eine vierte Kanzlerschaft überhaupt zur Verfügung steht. Aber ob das schon im Herbst passieren wird, weiß bisher vielleicht nur sie.