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"Grenzen des Erdsystems"

Helle Jeppesen27. Juni 2013

Mit dem neuen Klimabericht und mit dem "Inclusive Green Growth Report" setzt sich die Weltbank für grünes Wirtschaftswachstum ein. Für den Entwicklungsexperten Dirk Messner ein positives Zeichen.

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Dirk Messner, Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik - Foto: Helle Jeppesen (DW)
Bild: DIE

Deutsche Welle: Politisch besteht weitgehend Einigkeit, dass grüne Entwicklung notwendig ist. Nur der richtige Weg ist umstritten. Welchen Einfluss auf die internationale Politik haben überhaupt UN-Organisationen, wie Weltbank, UNDP oder UNEP, wenn es um solche Zielsetzungen geht?

Dirk Messner: Es gibt wichtigere und weniger wichtige - oder einflussreiche und weniger einflussreiche Organisationen. Die Weltbank ist sehr einflussreich. Weltweit ist das die Organisation, die die internationale Agenda setzt. Also wenn die Weltbank in diese Richtung geht, dann werden sich viele Akteure daran orientieren. Denn die Weltbank ist der größte Financier von globalen Entwicklungsvorhaben und das ist sehr relevant.

Die OECD ist ähnlich wichtig, die Organisation der Industrieländer. Die haben in der Vergangenheit sich wenig mit Umweltfragen und Nachhaltigkeitsfragen beschäftigt, sie stellen das jetzt aber ins Zentrum ihrer Überlegungen, und das ist ein sehr großer Fortschritt.

Auch bei der Weltbank findet offenbar ein Umdenken statt, was man am "Inclusive Green Growth Report" und dem Klimabericht sieht: Themen, mit denen sich bislang das UNDP (UN-Entwicklungsprogramm) oder das UN-Umweltprogramm UNEP befasst haben, gehören nun auch zu den Schwerpunkten bei der Weltbank.

Ja, in der Tat und das hat mit zwei Dingen zu tun. Einmal ist in der Weltbank selbst in den vergangenen 10 bis 15 Jahren schon das Bewusstsein dafür gewachsen, dass Klima- und globaler Umweltwandel eine ernste Herausforderung sind. Also, dass alle wirtschaftspolitischen Reformkonzepte und Armutsbekämpfungsanstrengungen nichts helfen, wenn man nicht auch die Grenzen des Erdsystems mit einbezieht.

Der zweite wichtige Punkt, der noch relevanter ist: Der neue Weltbank-Präsident Kim hat dieses Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt. Und insofern wird jetzt das Thema auch von oben in der Weltbank nach vorne gebracht.

Der "Inclusive Green Growth Report" hat immer noch Wachstum als Konzept. Egal bei welcher Krise - die Devise war immer: Wir müssen uns aus der Krise produzieren, wir steigern das Bruttosozialprodukt. Aber es ist doch genau die Haltung, die uns im Grunde genommen den Schlamassel gebracht hat, den wir heute haben, mit Finanzkrise, Klimakrise, Umweltkrise, Bevölkerungskrise, Nahrungsmittelkrise und, und, und. Kann man sich überhaupt aus diesen ganzen Krisen produzieren? Und wird der große globale Kuchen dadurch größer?

Es gibt Grundlagen der Wirtschaft, die nicht wachsen. Und das sind die natürlichen Grundlagen des Erdsystems. Die Atmosphäre wächst nicht, die Ozeane wachsen nicht, die Fischbestände wachsen nicht, die mineralischen Ressourcen wachsen nicht nur nicht, sie werden weniger, die fossilen Ressourcen ebenso. Also die Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung des Erdsystems und die Grundlage unserer Existenz als menschliche Zivilisation, die wächst nicht. Und insofern müssen wir Wohlfahrtsmodelle entwickeln, die das zur Kenntnis nehmen, die die Grenzen des Wachstums im Sinne der Grenzen des Erdsystems akzeptieren.

Für wirtschaftliche Entwicklung heißt das, wir müssen in Zukunft Wohlfahrt radikal abkoppeln vom Verbrauch dieser Güter, die ich eben genannt habe. Und da kann man sich vorstellen, dass danach weiter Wachstum stattfindet aber in ganz anderen Bereichen. Wir wollen ja wachsende Bildungs- und Gesundheitssysteme, manche Ökonomen sprechen von Dematerialisierung des Wachstums, also wir basieren die Produkte die wir schaffen stärker auf Dienstleistungen.

Dann haben wir einen zweiten Zusammenhang: Es gibt arme Länder, sie müssen offensichtlich wachsen, weil sonst Armut gar nicht bekämpft werden kann. Bei Ländern mit einem Bruttosozialeinkommen pro Kopf zwischen 500 und 2000 US-Dollar können sie auch mit noch so schöner Umverteilung die Ärmsten nicht aus der Misere bringen und ein Minimum an menschlicher Würde herstellen. Also, da brauchen wir einen größeren Kuchen.

In den reichen Ländern - bei uns - ist die Diskussion eigentlich eine ganz andere: Alle Studien zeigen uns, wir werden mit steigendem Wohlstand nicht zufriedener oder glücklicher. Wir haben 200 Jahre lang - seit der industriellen Revolution - so getan, als wäre Glück gleich Bruttosozialprodukt pro Kopf. Aber darüber hinaus gibt es viele andere Dinge, die auch sehr wesentlich sind für uns. Sicherheit ist sehr wichtig, Vertrauen in Institutionen und zwischen Menschen ist sehr wichtig, der Zugang zu Gesundheitssystemen und Bildungssystemen sind sehr wichtig, ein niedriges Gewaltniveau in der Gesellschaft ist sehr wichtig,

Wir werden darüber diskutieren müssen, wie wir die wesentlichen Faktoren definieren wollen, die Wohlstand ausmachen - jenseits rein materieller Absicherung. Ein gutes Leben: Was heißt das in reichen Gesellschaften?

Dirk Messner ist Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, das unter anderem auch die Bundesregierung in entwicklungspolitische Fragen berät. Der international anerkannte Thinktank berät außerdem auch die Weltbank in Fragen zur Good Governance und fragilen Staaten. Dirk Messner ist - zusammen mit zehn anderen internationalen Wissenschaftlern - Mitglied im "Global Knowledge Council" der Weltbank.