1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Michael Ballhaus: Die Geschichte meines Lebens

Jochen Kürten15. September 2014

Er war der Kameramann von Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese. Erstmals wird jetzt im Rahmen der First Steps Awards der Michael-Ballhaus-Preis verliehen. Vor kurzem hat Ballhaus seine Memoiren vorgelegt.

https://p.dw.com/p/1DAGq
Star-Kameramann Michael Ballhaus (Foto: dpa)
Bild: picture allicance/dpa

Es geschieht ja nicht gerade häufig, dass man in Hollywood vom deutschen Film schwärmt. Die großen Zeiten des deutschen Kinos, als Regisseure und Filmtechniker überhaupt erst mit dazu beitrugen, dass das Filmmekka an der amerikanischen Westküste entstehen konnte, liegen fast einhundert Jahre zurück. Und auch die Erfolge des "Neuen Deutschen Films" mit dem Oscar für "Die Blechtrommel" sind einige Zeit her.

Ein Deutscher in Hollywood

Zwei Regisseure haben sich danach noch dauerhaft in Hollywood in Szene setzen können: Wolfgang Petersen und Roland Emmerich. Sie stehen für solide und kommerziell erfolgreiche Hollywood-Produktionen. Aber da ist dann noch ein anderer Name, nicht der eines Regisseurs, sondern der eines Kameramannes: Michael Ballhaus. 1935 in Berlin geboren, stand er für ein Vierteljahrhundert ganz oben in Hollywood, und Ballhaus stand auch für künstlerische Visionen.

Jetzt hat Ballhaus, der im kommenden Jahr seinen 80sten Geburtstag feiert, auf seine Karriere zurückgeblickt und all das, was er zunächst in Deutschland und dann in den USA erlebt hat, aufgeschrieben, und es ist ein außerordentlich lesenswertes Buch geworden. Sicherlich sollte man einen Zugang zum Kino, sollte von Fassbinder und Scorsese schon einmal gehört haben. Aber "Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens" ist nicht nur ein Buch für Cineasten.

Ein Stück deutsche Kulturgeschichte

Ballhaus ist es gelungen, das Leben eines Filmschaffenden zu Papier zu bringen, ohne dass man als Leser das Gefühl hat, hier schreibe einer nur für ein geschultes Fachpublikum. Wie bei jeder guten Memoirenliteratur bildet auch "Bilder im Kopf" ein Stück Zeitgeschichte ab. Da erfährt man dann, wie der in Berlin geborene in der tiefsten fränkischen Provinz im Theatermillieu aufwächst, später in Berlin und München für die Regisseure des Neuen Deutschen Films arbeitet und dann den Sprung nach Hollywood wagt.

Zwei Namen prägen das Buch: Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese. Für den Deutschen stand Ballhaus 17 Mal hinter der Kamera, für den Amerikaner sieben Mal. Und doch sind es gerade auch die Zeiten dazwischen, die das Buch so aufschlussreich machen. Dass er für Fassbinder die berühmte 360-Grad-Kamerfahrt für dessen Film "Martha" mit erfand, dass er seinen Stil der entfesselten, sich ständig bewegenden Kameraführung später nach Hollywood übertrug, dass liest man mit Interesse und zunehmender Faszination.

Faszination für Max Ophüls

Doch manchmal sind es die Geschichten am Rande, die künstlerischen Niederlagen und nicht ganz so gelungenen Filme, die das Bild einer Karriere erst vollkommen machen. Weil sie vielleicht mehr über die Arbeit und das Leben beim Film aussagen als die vollkommenen Meisterwerke und die geglückten Projekte.

Der Besuch am Set von "Lola Montez" - in der Regie des großen Max Ophüls - wurde 1955 zum Erweckungserlebnis für den jungen Ballhaus. Danach kamen erste Erfahrungen mit Regisseuren wie Herbert Vesely und Peter Schamoni. Der junge Kameramann musste manches Lehrgeld zahlen. Schließlich, Jahre später, Ballhaus ist ein gefragter Mann in Amerika, drehte Ballhaus zwischen den Filmen für Scorsese immer wieder auch für andere Regisseure, weniger bekannte, aber auch ein paar berühmte Namen waren darunter wie Mike Nichols oder Francis Ford Coppola. Schauspieler wie Dustin Hoffman und Robert Redford wurden zu Freunden. Eindrucksvoll etwa ist die Szene, in der Dustin Hoffman Ballhaus einmal das Leben rettete, als der mit einem Magendurchbruch in ein nicht allzu gutes Krankenhaus eingeliefert wurde. Hoffman setzt seine ganze Autorität ein, Ballhaus springt dem Tod noch einmal von der Schippe.

Ballhaus, der Familienmensch

Und noch etwas prägt dieses Buch ganz besonders. Ballhaus war immer ein Familienmensch. Darauf kommt er immer wieder zurück. Seine Frau Helga begleitete ihn über Jahrzehnte, auch sie arbeitete in der Branche als Schauspielerin und Ausstatterin. Auch die beiden Söhne stiegen in die Fußstapfen des Vaters. Ballhaus hat diesen engen Bezug zur Familie gebraucht, mehr als andere Dinge und wohl auch mehr als die Kollegen. Es ist schön nachzulesen, wie hier einer inmitten einer Welt, die sich ja nicht zuletzt in Hollywood über die Faktoren Glamour und Showbiz definiert, seinen ganz eigenen Weg gewählt hat.

Buchcover Michael Ballhaus Bilder im Kopf Die Geschichte meines Lebens (Foto: Pressebild DVA Sachbuch, Verlagsgruppe Random House GmbH)
Bild: DVA Sachbuch

Ein Gentleman hinter der Kamera

Ballhaus, der völlig uneitel und nüchtern über viele Dinge schreibt, die er erlebt hat, war ein Gentleman hinter der Kamera. Regieberserker wie Fassbinder, der ein solch ausgleichendes zentrales Moment für sein Schaffen wohl auch brauchte, und Martin Scorsese, der auch ein Besessener des Kinos ist, haben das geschätzt. Ballhaus ist es gelungen, diese Noblesse in seinem Memoirenbuch spürbar zu machen. Davon profitiert jetzt auch der deutsche Kameranachwuchs. Im Rahmen des Filmpreises "First Steps" wird jetzt (15.9.2014) erstmals der Michael-Ballhaus-Preis vergeben.

Michael Ballhaus (mit Claudius Seidl): Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens. Deutsche Verlags Anstalt 2014, 320 Seiten, ISBN 978-3-421-04566-9.