Houellebecq provoziert mal wieder
6. Januar 2016Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" spielt im Jahr 2022 und handelt vom Alltag in Frankreich, nachdem eine muslimische Partei an die Regierung gewählt worden ist. Das Buch bekam nicht nur durch den Terroranschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion am Tag seiner Veröffentlichung eine Menge zusätzlicher Aufmerksamkeit - vor allem seine provokative Handlung regte eine intensive Debatte in einem Land an, das von Emotionen überwältigt war.
Viele Leser kritisierten, dass das Szenario in "Unterwerfung" nur die Ängste von Extremisten und Rassisten schüre. Und tatsächlich wurden die darin enthaltenen Ideen unter anderem von Jean Le Pen, dem Gründer des rechtspopulisischen Front National, aufgegriffen. Le Pen erklärte nach den französischen Regionalwahlen im Dezember 2015, dass er die Wahl eines "Präsidenten Mustafa" im Jahr 2017 fürchte.
Provokanter Misanthrop
Der Erfolgsautor Houellebecq ist für seinen ironischen und misanthropen Tonfall bekannt. Mit der Veröffentlichung seines Frühwerks von 1991 bis 2000 in einem Sammelband wolle er Platz in den Bücherregalen seiner Leser sparen, denn schließlich hätten sie "oft sehr kleine Wohnungen", wie er in seinem Vorwort zu dem 1200 Seiten starken Band schreibt. Das Buch soll in Frankreich am 6. Januar erscheinen - dem Vorabend des Jahrestages des Terroranschlags auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo".
Obwohl das Datum ein Beweis für Houellebecqs Lust an der medialen Provokation ist, achtet er sehr wohl darauf, wer über ihn berichtet. Im Juni 2015 veröffentlichte die französische Tageszeitung "Le Monde" eine Reihe von sechs Artikeln über Houellebecqs Universum. Eine Interviewanfrage an ihn im Zusammenhang mit der Reihe führte zu einer wütenden Antwortmail, in der der Schriftsteller viele seiner einflussreichen Freunde in Kopie nahm und sie darum bat, jegliche Interviews in diesem Zusammenhang abzulehnen.
Anklagende "Gleichgültigkeit"
Nach den Pariser Attentaten vom November 2015 veröffentlichte Houellebecq einen Kommentar in den internationalen Tageszeitungen "New York Times" und "Corriere della Serra," in dem er behauptet, er habe sich bereits so an Terroranschläge gewöhnt, dass er nicht einmal mehr die Nachrichten rund um die Tragödie verfolgt habe.
Andererseits äußert er in ein- und demselben Essay schwere Anschuldigungen, die einer scheinbaren Gleichgültigkeit widersprechen. Unter anderem beschuldigt er Frankreichs führende Politiker, "bei ihrer wichtigsten Aufgabe völlig versagt zu haben: dem Schutz der Bevölkerung, für die sie verantwortlich sind" - zum Beispiel durch die Ausdünnung von Polizeipersonal und die Schwächung nationaler Grenzen. Houellebecqs völlig unberechenbare Meinungsäußerungen verstärken beim Publikum einerseits die Ablehnung und gleichzeitig die Faszination für diesen polarisierenden Autor, der immer wieder seinen Weg in vollgestopfte Bücherregale findet.