Micro-Urlaub im Büro
25. Juli 2002Der typische Büroalltag von Tokio bis Los Angeles sieht so aus: Stundenlang auf einem unbequemen Stuhl sitzen und auf den Computerbildschirm starren. Die Folgen sind nicht selten überanstrengte Augen, Schmerzen an der Wirbelsäule und Stress-Symptome.
Fusion von Arbeit und Freizeit
In einer Arbeitswelt, in der der Mensch und eben nicht, wie lange Zeit angenommen, die Technik dominieren wird, ist eine Art von Micro-Urlaub unverzichtbar, so Dr. Gerhard Kilger, Leiter der Deutschen Arbeitsschutzausstellung.
"Die Regenerationsmöglichkeiten, die wir vom Urlaub her kennen, müssen in Zukunft in das Arbeitsleben integriert werden. Mit der wachsenden Überschneidung von Freizeit und Arbeit muss es neue Verhaltens- und Organisationsmethoden geben, innerhalb derer man auch mal etwas ganz anderes machen und sich regenerieren kann", erklärt der studierte Physiker.
Ergonomische Welten
Achtzehn Männer und Frauen stellen in der Ausstellung ihre jeweils völlig unterschiedlichen Berufe im Wandel der Zeit vor. Da ist zum Beispiel die Goldschmiedin, die an einem ergonomischen Arbeitstisch sitzt, an dem sie mit Leichtigkeit jedes Instrument erreicht, das sie für den nächsten Handgriff braucht.
Die Kassiererin im Supermarkt soll in Zukunft mehr Zeit haben, mit dem Kunden ein Schwätzchen zu halten. Ein automatischer Scanner identifiziert die Ware schon am vorderen Teil des Fließbandes. Das bedeutet: Die Kassiererin muss die Produkte nicht mehr über eine Infrarotschnittstelle heben, sondern lediglich den Ablauf kontrollieren und darauf achten, dass der Kunde auch zahlt. Ihr Arm wird nicht länger einseitig belastet und die Augen werden keinen Strahlen ausgesetzt. Die vollautomatische Kasse ist bereits so ausgereift, dass sie schon bald in Serienproduktion gehen kann.
Technik im Dienst des Menschen
Die Ausstellung ist nur in einem Punkt darauf ausgelegt, innovative Techniken vorzustellen. Sie will eine Vision davon entwerfen, wo sich der Mensch in der zukünftigen Arbeitswelt positioniert: Er soll wieder ins Zentrum gerückt und die Technik mehr in seinen Dienst gestellt werden.
"Auch die Ingenieure lernen allmählich, dass sie beim Entwurf neuer Arbeitsplätze nicht irgendwelche technischen Modelle, sondern den Mensch selbst zum Vorbild nehmen müssen, von seinen Gehirnströmen bis zu seiner Körperform", so der Arbeitsschutzexperte Dr. Gerhard Kilger.
Ein anschaulich-futuristisches Beispiel hierfür ist die "Frozen-Cloud". Sitzungen müssen künftig nicht mehr an statischen Konferenztischen abgehalten werden. In der "gefrorenen Wolke" aus Silikon können Gesprächspartner nebeneinander fläzen, entspannt gegenüber sitzen und sich wohlfühlen. Das stimuliert die zwischenmenschliche Kommunikation, die in der zukünftigen Arbeitswelt eine noch wichtigere Rolle einnehmen wird.
Die Manager, auch die von unpersönlichen Call-Centern kommen langsam dahinter, dass es sich lohnt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. "Selbst die Organisatoren von anonymen Büros wissen, dass der Mensch eine betriebswirtschaftliche Größe ist, die man berücksichtigen muss. Ihm muss es gut gehen, damit ein Unternehmen erfolgreich sein kann", betont Kilger.
Kreativität und soziale Kompetenz sind das Potential des "Homo Sozialis". Die "Vision 21" ist ein Aufruf, dieses Potential zu fördern und den technikhörigen "Homo Faber", das Leitbild des 20. Jahrhunderts, ad acta zu legen.
Bis zum 29. Dezember 2002 ist die "Vision 21" in der Deutschen Arbeitsschutzausstellung in Dortmund zu sehen.