30. Oktober 2013
DW: Rap und Klassik – gegensätzlicher könnten Musikstile und Kulturen nicht sein, oder?
Mihalj "Miki" Kekenj: Für mich ist das gar nicht gegensätzlich. Ich spiele Geige seit ich sechs bin und entdeckte Hip-Hop für mich, da war ich zwölf. Beides ist zusammen in mir gewachsen. Das ist völlig natürlich für mich.
Die Projekte "Opus 1" und "Moments with" vereinen Rap und Klassik auf der Bühne. Wie funktioniert das?
"Opus 1" war mein erstes Kreativprojekt als Miki. Ich wollte die ganze Klangkultur, die Hip-Hop-Fans vertraut ist, live auf die Bühne bringen. Dabei ging es darum, den symphonischen Anteil beim Hip-Hop noch mehr nach außen zu kehren. Hip-Hop bedient sich seit jeher an Samples, und die kommen eben auch aus der orchestralen Musik. Streicher und Bläsersätze sind nichts Fremdes im Hip-Hop. Ich wollte das auf die Spitze treiben: Ich setze ein Orchester auf die Bühne, das wie ein Sampler fungiert und immer das Gleiche spielt, denn das ist Teil des Hip-Hop-Sounds.
Was ich bei "Moments with…" gemacht habe, geht noch weiter: Da sind nur noch fünf Streicher und ein Künstler wie Aloe Blacc oder Erykah Badu – mehr nicht. Für mich fühlt sich die kammermusikalische Besetzung sogar noch richtiger an als ein großes Orchester. Das ist ganz reduziert auf das, was klassische Instrumente und Soulgesang hervorbringen.
Bei meinen Projekten ist klar geworden, dass Soulsänger oder Rapper ganz natürlich mit einem klassischen Ensemble spielen können. Das ist kein Widerspruch.
Aber gibt es nicht eine große Skepsis gegenüber Rap bei den Fans klassischer Musik? Existiert da so etwas wie ein Erziehungsauftrag?
Wer Hip-Hop nicht ausstehen kann, kommt nicht in mein Konzert. Ich habe insofern eigentlich immer ein sehr wohlwollendes Publikum, das zwangsläufig etwas für beide Kulturen übrig hat. Aber es stimmt schon, dass Klassikfans erst einmal skeptisch sind. Im Moment wird Rap vor allem durch Skandale nach außen getragen: Gewalt, Homophobie und Frauenfeindlichkeit. Die klassischen Musiker aus meinem Orchester kennen Rap in einem solchen Licht. Die waren sehr beeindruck von der Kreativität und Technik der Rapper, die sie bei "Opus 1" erlebt haben. Diese Musiker kennen gar nicht die Rapper, die so viel Sinnvolles, Kreatives und Märchenhaftes erzählen. Aber das sind Rapper, mit denen ich arbeite. Gangsta Rap ist ein Teil von Hip-Hop. Aber ich zelebriere einen anderen Teil, der politischer oder erzählerischer Natur ist. Insofern habe ich eine Art Erziehungsauftrag. Wenn danach einer denkt: Es ist ja gar nicht so schlimm, was meine Kinder zu Hause hören, dann sehe ich das als Erfolg.
Und wie ist es bei den Kindern und Jugendlichen?
Ich gehe an meine Arbeit niemals mit einem erzieherischen Aspekt. Ich komme aus keinem pädagogischen sondern aus einem künstlerischen Umfeld. Ich bin aber oft in Schulklassen und referiere über mich, meine Arbeit und meine Musik. Ich bin jedes Mal völlig geflasht, weil die Kinder wirklich offen sind. Ich kann denen etwas über klassische Kultur erzählen und sie hören zu, weil das Dinge sind, die sie nicht ständig erfahren. Insofern: Erziehungsauftrag: Gerne! Aber nicht in erster Linie. Wenn der aber mit dem einhergeht, was ich tue, gibt es nichts Besseres.
In den vergangenen Jahren gab es viele Projekte, die Klassik und Rap miteinander vereint haben. Gibt es da eine Tendenz zur Annäherung der beiden Kulturen?
Ich hoffe, dass es die gibt. Peter Fox, der mit der Band Seeed progressiv die deutsche Musikkultur mitbestimmt, hat sein Album "Stadtaffe" ja mit dem Filmorchester Babelsberg eingespielt. Wenn so jemand sich traut, mit einem Orchester ins Studio zu gehen, kann das nur gut gehen.
Auch der amerikanische Rapper Kanye West hat ein Live-Album mit einem Orchester aufgenommen. Interessanterweise ist das nur in Europa veröffentlicht worden. Ich weiß nicht, warum er das seinen amerikanischen Fans nicht zutraut, aber ich bin mir ganz sicher, dass das auch in den USA ein großer Erfolg wäre.
Klassische Instrumente sind generell etwas, was dem Publikum unglaublich vertraut ist. Der Sound eines Orchesters begegnet einem jeden Tag. Jedes Mal, wenn man ins Kino geht, hört man ein Symphonieorchester. Das ist nichts, was besonders experimentell wäre. Aber ich hoffe, dass sich noch mehr Künstler öffnen, um klassische Kultur mit einzubinden.
Welche Projekte kann man in Zukunft von Miki erwarten?
Ich arbeite derzeit an "Opus 2", einem zusammenhängenden Violinenkonzert, bei dem natürlich auch wieder Rapper eingebunden sein werden. Ich nenne aber noch keine Namen. Ich hoffe, damit die Verbindung von Klassik und Hip Hop weiter voran zu bringen und klassische Kultur mehr in den Mainstream tragen zu können.
Ebenso möchte ich gerne eine Oper schreiben, die natürlich auch diesen Hip-Hop-Einschlag haben wird. Es ist mir sehr wichtig, so etwas auszuprobieren und zu sehen, inwiefern das für ein junges Publikum relevant ist. Ich finde es interessant zu sehen, ob man es schafft, einen klassischen Raum wie ein Opernhaus für die Jugend zu erobern.
Ich sitze jeden Tag im Symphonieorchester und genieße jeden Ton, den ich da spiele. Ich möchte, dass das auch viele Leute da draußen, die nichts mit klassischer Kultur zu tun haben, genau so genießen können wie ich. Ich hoffe, dass ich das irgendwann schaffe.
Mihalj "Miki" Kekenj ist Konzertmeister den Bergischen Symphonikern, Rapper und Hip-Hop-Produzent. Er wurde 1979 in Braunschweig geboren lebt heute in Düsseldorf. Er studierte Violine mit verschiedenen Professoren wie Prof. Jens Ellermann und Andreas Krecher, bei dem er 2007 sein Studium an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf absolvierte.
Das Interview führte Eike Rüdebusch.