Militärschlag gegen Huthi-Rebellen im Jemen
12. Januar 2024Die USA und Großbritannien haben mit Unterstützung verbündeter Länder in der Nacht zum Freitag militärische Stellungen der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen. Der Militärschlag sei eine "direkte Reaktion auf die beispiellosen Angriffe der Huthi" auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer, teilte US-Präsident Joe Biden in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Er werde nicht zögern, bei Bedarf weitere Maßnahmen anzuordnen. Russland hat wegen der Luftangriffe noch für diesen Freitag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates beantragt.
Seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen greifen die Huthi immer wieder Handelsschiffe mit angeblicher Verbindung zu Israel im Roten Meer auf der Suezkanal-Route an. Große Reedereien meiden zunehmend die Route. Die Huthi greifen Israel auch immer wieder direkt mit Drohnen und Raketen an. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und anderen Staaten als Terrororganisation gelistet.
Verbündete sprechen von gezieltem Militärschlag
Neben den USA und Großbritannien hätten sich auch Australien, Bahrain, Kanada und die Niederlande an dem Militärschlag beteiligt, sagte ein US-Regierungsvertreter in Washington. Die Angriffe hätten sich auf jene Stellungen konzentriert, die für die Rebellen bei ihren Angriffen auf Handelsschiffe von besonderer Bedeutung seien - weil sie dort etwa Raketen, Radartechnik oder Drohnen lagerten. Ziel sei es gewesen, die Huthi zu schwächen, nicht aber, die Situation zu eskalieren, betonte er. Die Angriffe der Rebellen auf die internationale Schifffahrt entbehrten jeder Grundlage und seien unrechtmäßig.
Auch der britische Premierminister Rishi Sunak sprach von "gezielten Angriffen". Trotz wiederholter Warnungen der internationalen Gemeinschaft haben die Huthis auch in dieser Woche Schiffe angegriffen, darunter auch britische und amerikanische Kriegsschiffe.
Das britische Verteidigungsministerium teilte mit, die verbündeten Streitkräfte hätten wichtige Huthi-Einrichtungen identifiziert. Die Ergebnisse der Angriffe würden derzeit ausgewertet, aber es gebe Anzeichen dafür, dass man den Fähigkeiten der Huthi, die Handelsschifffahrt zu bedrohen, einen Schlag versetzt habe.
Etwa zwölf Prozent des gesamten Welthandels laufen über das Rote Meer. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa. In den vergangenen Wochen sahen sich die Kapitäne Hunderter von Frachtschiffen gezwungen, wegen der Angriffe die weitaus längere und erheblich teurere Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas zu nehmen.
NATO: Luftangriffe auf Huthi waren "defensiv"
"Diese Angriffe waren defensiv und dienten dazu, die Freiheit der Schifffahrt auf einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu erhalten", erklärte NATO-Sprecher Dylan White in Brüssel. Die Huthi-Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer müssten aufhören, forderte er. Der Sprecher der westlichen Verteidigungsallianz nahm zudem den Iran in die Verantwortung, der die Huthi-Rebellen unterstützt. Teheran müsse "seine Stellvertreter zügeln", betonte er.
Die NATO verwies zugleich auf die jüngste Resolution des UN-Sicherheitsrats in New York. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen hatte am Mittwoch ein sofortiges Ende der Angriffe der Huthi-Miliz auf Schiffe im Roten Meer gefordert. "Die internationale Gemeinschaft hat deutlich gemacht, dass es Konsequenzen haben wird, wenn diese Angriffe nicht aufhören", betonte White. Russland hatte sich bei der UN-Abstimmung enthalten.
Bundesregierung unterstützt Militärschlag
Auch die deutsche Regierung steht nach Angaben von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hinter den Angriffen auf Stellungen der Huthi-Miliz. "Die Reaktion hat unsere politische Unterstützung", sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit dem Außenminister von Malaysia, Mohamad Hasan, in der Hauptstadt Kuala Lumpur. Die USA und weitere Partner seien gezielt begrenzt militärisch gegen die für die Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer genutzte Infrastruktur der Huthi vorgegangen - "im Einklang mit dem individuellen und dem kollektiven Recht auf Selbstverteidigung der Charta der Vereinten Nationen (UN)", ergänzte die Außenministerin.
Auf die Frage, wie sich die Bundesregierung an der Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer beteiligen wolle und wann darüber entschieden werde, sagte Baerbock, die Europäische Union (EU) prüfe derzeit mit Hochdruck, "wie wir die Stabilisierung im Roten Meer auch selbst stärken und zu dieser Stabilisierung beitragen können". Dies müsse im europäischen Rahmen gemeinsam beschlossen werden.
USA verstärkten im Dezember militärische Kooperation
Angesichts der zunehmenden Zahl von Angriffen auf Handelsschiffe hatte das US-Militär in der Region bereits Mitte Dezember seine Zusammenarbeit mit den Streitkräften anderer Länder verstärkt. An der neuen Sicherheitsinitiative mit dem Namen "Operation Prosperity Guardian" (Operation Wächter des Wohlstands) beteiligen sich nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium mehr als 20 Länder.
Weitet sich der Konflikt aus?
Die Nahostexpertin Elisabeth Kendall befürchtet, dass die Angriffe der USA und Großbritanniens im Jemen weitreichende regionale Folgen haben könnten. "Ich befürchte, dass diese Angriffe einen Kreislauf des Konflikts auslösen könnten, der sich auf die Region ausweiten könnte. Ich denke, es wäre töricht, wenn wir das nicht für eine reale Möglichkeit hielten", sagte Kendall der Deutschen Welle. Sie glaubt auch nicht an eine Wirkung der Abschreckung.
Die von Teheran unterstützten Huthis befänden sich seit neun Jahren in einem Bürgerkrieg im Jemen und seien "keine Gruppe, die sich durch Schläge abschrecken lässt". Kendall sprach im DW-Interview auch die Bilanz der westlichen Koalition in der Nahost-Region an, die ihrer Meinung nach "nicht so toll aussieht".
Sie sagte, die Huthis seien sich dessen bewusst und sähen den Rückzug der westlichen Verbündeten aus Afghanistan und den mangelnden Erfolg im Irak als Beispiele für ein Scheitern des Westens in der Region. Kendall ist Leiterin des Girton College der britischen Universität Cambridge.
Huthi: USA und Großbritannien bezahlen hohen Preis
Die Huthi-Rebellen kündigten nach dem Militärschlag Vergeltung an. "Amerika und Großbritannien werden bereit sein müssen, einen hohen Preis zu zahlen", sagte ein Vertreter der Rebellen in der Nacht zum Freitag laut dem Huthi-Fernsehsender Al Massirah. Der Jemen sei "einem massiven aggressiven Angriff amerikanischer und britischer Schiffe, U-Boote und Kampfflugzeuge ausgesetzt gewesen". Ein Sprecher bekräftigte, die Huthi-Miliz werde zur Unterstützung der palästinensischen Hamas im Krieg gegen Israel weiterhin die Durchfahrt von Schiffen im Roten Meer und im Arabischen Meer blockieren.
Die schiitischen Huthi-Rebellen haben im Jemen in ihrem seit 2014 laufenden Aufstand weite Teile im Norden des Landes eingenommen. Sie kontrollieren auch die Hauptstadt Sanaa.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Huthi einen Großangriff mit Drohnen und Raketen auf Schiffe im Roten Meer durchgeführt. Wie das zuständige US-Regionalkommando mitteilte, wurden 18 Drohnen und drei Raketen von Einheiten der USA und Großbritanniens abgefangen. Die Attacke habe "den umfangreichsten Angriff der Huthis auf den internationalen Schiffsverkehr seit Mitte Oktober" dargestellt, hieß es am Mittwoch aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.
se/pg/ww (dpa, afp, rtr, ap, dw)