Milliarden für den Wiederaufbau
8. April 2013Wieder einmal gibt das Wüsten-Emirat Katar den großzügigen Gastgeber: Das zweitägige Treffen (07./08.04.2013) fand in einem Luxushotel in der Hauptstadt Doha statt. Hier wurden Gelder gesammelt für den Wiederaufbau und die Entwicklung von Darfur.
In der Krisenregion im Westen des Sudan markiert das Jahr 2013 ein trauriges Jubiläum: Vor zehn Jahren griffen schwarzafrikanische Rebellengruppen zu den Waffen und zogen in den Krieg gegen die arabisch-dominierte Zentralregierung in Khartum. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wurden mindestens 300.000 Menschen getötet; 2,5 Millionen mussten fliehen. Lange galt Darfur als "größte humanitäre Katastrophe" der Welt, doch inzwischen taucht die Krisenregion nur noch selten in den Schlagzeilen auf. Und das, obwohl immer wieder Gewalt ausbricht: Zwischen Rebellen und Regierung oder zwischen verschiedenen Volksgruppen. Allein in diesem Jahr hat der Konflikt nach UN-Angaben wieder 130.000 Menschen in die Flucht getrieben. Wie also soll das funktionieren: Wiederaufbau - in einer Region, die noch mitten im Krieg steckt?
Milliarden für den Wiederaufbau
Bisher sind die Gelder aus dem Ausland vor allem in humanitäre Hilfe und die internationale Friedensmission UNAMID (United Nations-African Union Mission in Darfur) geflossen. Seit 2007 sind etwa 20.000 Blauhelm-Soldaten und Polizisten in Darfur im Einsatz. In den Wiederaufbau der Region sei dagegen kaum investiert worden, sagt Jörg Kühnel, der für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) an der Konferenz in Doha teilnimmt. Das UNDP will in der Krisenregion eine neue Entwicklungsstrategie umsetzen. "Sie soll Darfur ermöglichen, aus der Abhängigkeit von humanitärer Hilfe heraus zu gelangen und wirklich in der Lage zu sein, seine eigene Wirtschaft, seine eigene Sozialfabrik, sein eigenes lokales Verwaltungssystem aufzubauen", sagt Kühnel. Konkret bedeutet das: Straßen bauen, öffentliche Gebäude und soziale Einrichtungen sanieren, Landwirtschaft und Gewerbe fördern, Verwaltungen aufbauen und: Zehntausenden Flüchtlingen die Rückkehr in die Heimat ermöglichen.
Ein Mammutprojekt, das in den kommenden sechs Jahren rund sieben Milliarden US-Dollar kosten wird. Das hat das UNDP in Zusammenarbeit mit der Regionalverwaltung Darfurs - der "Darfur Regional Authority" (DRA) - ermittelt. Die Zentralregierung in Khartum will ein Drittel der Gelder bereitstellen. Mehr geht nicht, hieß es. Denn Sudans Wirtschaft ist nach der Abspaltung des Südens und dem Verlust wichtiger Einnahmen aus dem Öl-Geschäft stark geschrumpft. Offen blieben also 4,6 Milliarden Dollar - diese riesige Summe sollte die internationale Gemeinschaft in Doha zusagen.
Doch dieses Ziel hat die Konferenz nicht erreicht. Etwas mehr als 3,6 Milliarden US-Dollar haben die teilnehmenden Länder zugesagt, heißt es laut Nachrichtenagentur AFP am Montag (08.05.2013) aus Katar. Doch darin sei der Beitrag des Regimes in Khartum bereits enthalten. Im Ergebnis gab es also nur Zusagen für rund die Hälfte der Kosten.
Ein brüchiger Frieden
Die Geber von der Wiederaufbau-Strategie überzeugen - das wollte Al-Tijani Al-Sissi. Seit gut einem Jahr steht er an der Spitze der Regionalverwaltung von Darfur. Nach langwierigen Verhandlungen unterzeichnete seine Rebellengruppe "Liberation and Justice Movement" (LJM) 2011 in Doha ein Friedensabkommen mit der Zentralregierung. "Die Sicherheitslage hat sich seitdem sehr deutlich verbessert, und alle können das bezeugen, besonders die internationalen Organisationen", sagt Al-Sissi. Als Chef der regionalen Übergangsregierung ist er verantwortlich für die Einhaltung des Abkommens, das Kritiker wie das erste Abkommen aus dem Jahr 2006 schon längst als gescheitert betrachten. "Es stimmt, dass wir noch vor ein paar Herausforderungen stehen. Dazu gehört vor allem die Tatsache, dass einige Rebellengruppen nicht unterzeichnet haben und vom Südsudan unterstützt werden", räumt Al-Sissi ein. Er meint die Aufständischen, die den Friedensvertrag nach wie vor boykottieren, darunter eine der stärksten Rebellenorganisationen, die SPLM.
"Bisher wurden die Ursachen der Krise in Darfur kaum angegangen. Es wurden immer nur Teilabkommen mit neuen Splittergruppen getroffen, deren Führer dann in der Regel mit politischen Posten oder anderen materiellen Anreizen belohnt wurden", kritisiert Kristin Linke, die für die SPD-nahe Friedrich-Ebert Stiftung im Sudan arbeitet. Die Bedingungen für ein milliardenschweres Wiederaufbau-Programm seien in Darfur noch nicht erfüllt, so Linke. "Die Sicherheitslage ist katastrophal, die humanitäre Situation verschlechtert sich täglich. Selbst kleine Hilfsprojekte können ohne die Unterstützung der UN-Mission vor Ort kaum durchgeführt werden." Außerdem werde einigen Helfern der Zugang zu den Notleidenden erschwert. 2009 ließ Sudans Staatschef Omar al-Baschir mehrere Hilfsorganisationen aus Darfur ausweisen - aus Protest gegen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Angeklagt ist al-Baschir unter anderem wegen Völkermord in Darfur.
Geldgeber Katar
Große Zusagen hatte Sudan im Vorfeld der Konferenz von Katar erwartet. Der ölreiche Staat investiert seit Jahren in Immobilien und Infrastruktur im Sudan - und versorgt Khartum in letzter Zeit mit Öl. "Katar geht es darum, politischen Spielraum zu schaffen, um seine wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Aber die Investitionen sind auch gerade im letzten halben Jahr massiv zurückgegangen, weil das Investitionsklima nicht mehr sehr ansprechend ist", sagt Sudan-Expertin Linke. Auf der Konferenz kündigte Katar Hilfe in Höhe von 500 Millionen US-Dollar an.
Viele Hilfsgelder kamen in der Vergangenheit auch aus Großbritannien, den USA, den skandinavischen Staaten und aus Deutschland. Ein Sprecher des Außenministeriums hatte vor der Konferenz auf Anrage der DW angekündigt, Deutschland werde auf der Geberkonferenz in Doha einen "substanziellen Beitrag" leisten. 16 Millionen Euro, also mehr als 20 Millionen US-Dollar, sagten die Deutschen in Katar zu. Damit wollen sie Entwicklungsprojekte in Darfur unterstützen, vor allem in den Bereichen Wasser, Sanitärversorgung und Ernährungssicherheit. In einer gemeinsamen Mitteilung des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärt Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel: „Mit dieser Zusage unterstreichen wir erste Fortschritte im Friedensprozess und bauen auf diesem bisherigen Engagement auf.“