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Milliarden für die Rentner

Bernd Gräßler29. Januar 2014

Das erste Gesetzesvorhaben des neuen Bundeskabinetts ist ausgerechnet ein teures "Rentenpaket". Das sei nicht geschenkt, sondern verdient, sagt die Regierung. Kritiker bemängeln die Lasten für die Jüngeren.

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Älterer Bauarbeiter - Foto: Irina Fischer
Bild: Fotolia

Selten hat eine Regierung so schnell so teure Wahlversprechen erfüllt. Nur sechs Wochen nach Amtsantritt beschloss das Kabinett aus CDU/CSU und SPD am Mittwoch (29.01.2014), dass mehrere Millionen Mütter mehr Rente bekommen. Außerdem sollen besonders langjährige Renten-Beitragszahler schon mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen können, und zwar ohne Abzüge. Es sind die Kernpunkte eines "Rentenpakets", das ohne Probleme den Bundestag passieren dürfte. Seine Kosten veranschlagt das Arbeits- und Sozialministerium pro Jahr auf rund 9 bis 11 Milliarden Euro, bis 2030 kommen nach dieser Rechnung 160 Milliarden zusammen.

"Angesichts der Leistungskraft unserer Wirtschaft ist das verantwortbar", sagte der sonst so auf Sparsamkeit bedachte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), denn "die Älteren haben schon viel geleistet, zum Teil unter sehr viel schwierigeren Bedingungen als die der heutigen Arbeitswelt." Geschlossen verteidigen Unionsparteien und SPD die Wohltat für die ältere Generation. Die rund 21 Millionen Rentner, das wissen die Koalitionäre, stellen mehr als ein Drittel aller Wähler.

SPD übt tätige Reue

Die "Mütterrente" als Anerkennung für Erziehungsleistung war ein Wahlkampfschlager der Union. Über neun Millionen Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, sollten mehr Ruhestandsgeld bekommen. Eine "Gerechtigkeitslücke" müsse geschlossen werden zu jenen Frauen, die ihre Kinder nach 1992 bekamen und deren Erziehungsleistung durch eine frühere Rentenreform bereits schon jetzt anerkannt werden. Nun ist es auch für die restlichen Mütter so weit.

Sechs Milliarden Euro wird allein dieses Wahlkampfversprechen von Kanzlerin Merkel die Rentenkassen und Steuerzahler kosten, der Koalitionspartner SPD hat daran nichts auszusetzen. Denn im Gegenzug gab die Union grünes Licht für einen sozialdemokratischen Herzenswunsch: Wer seit frühester Jugend durchgängig gearbeitet hat, soll schon früher in Rente gehen, ohne dafür Abzüge in Kauf nehmen zu müssen. "Das ist nicht geschenkt, sondern verdient", sagte Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss.

In ihrem Gesetzentwurf hat sie festgeschrieben: Wer 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, darf mit 63 in Rente gehen. Es ist eine Art tätige Reue der SPD-Führung gegenüber ihrer Stammklientel. Denn unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder wurde einst das allgemeine gesetzliche Renteneintrittsalter in Deutschland auf 67 Jahre angehoben. Schon damals verwiesen beispielsweise die Gewerkschaften empört auf Dachdecker oder Bauarbeiter, die mit 67 nicht mehr aufs Dach oder aufs Gerüst steigen können.

Teuer für die jüngere Generation

Gegen das Rentenpaket der großen Koalition laufen seit Wochen Experten Sturm, die vor den hohen Belastungen für die jetzigen und künftigen Beitrags- und Steuerzahler warnen, vor allem wenn die Wirtschaft in Zukunft nicht mehr so laufen sollte wie derzeit. Bereits jetzt ist der staatliche Zuschuss zur Rentenversicherung mit 81 Milliarden pro Jahr der größte Einzeletat des Bundeshaushalts. Die Kritiker sind sich einig: Es sei ein Gesetz zulasten der jüngeren Generation und passe nicht zum mühsam gefundenen Konsens zur Bewältigung des demografischen Wandels. Denn eigentlich ist man sich einig, dass längere Lebensarbeitszeiten notwendig sind, weil sich durch die geringen Geburtenraten die Lasten der Rente künftig auf immer weniger Schultern verteilen werden. Nicht zufällig haben in den vergangenen Jahren viele Staaten Europas das Renteneintrittsalter angehoben.

Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles SPD) - Foto: Jan Woitas (dpa)
Nahles: Mittel gegen Frühverrentung gesuchtBild: picture-alliance/dpa

Einen ersten Preis für das beschlossene "Rentenpaket" zahlen Arbeitnehmer in Deutschland bereits jetzt, weil die - wegen Überschüssen in der Rentenkasse eigentlich vorgeschriebene - Senkung des Rentenversicherungs-Beitrages von der Regierung kurzerhand ausgesetzt wurde. Dies trifft im gleichen Maße die Unternehmer, die den Rentenbeitrag ihrer Beschäftigten zur Hälfte entrichten.

Hintertür in die Frühverrentung?

Doch die Wirtschaft sieht das Gesetzespaket von Arbeitsministerin Nahles nicht nur deshalb überwiegend skeptisch. In vielen Unternehmen fehlen bereits jetzt Fachkräfte. Eine frühere Verrentung von erfahrenen Mitarbeitern könnte diesen Mangel noch verschärfen, so die Sorge.

Andererseits könnten einige Großkonzerne der Energiebranche oder die Telekom, die ihre Belegschaften derzeit reduzieren, die Chance nutzen, tausende Mitarbeiter bereits mit 63 Jahren in den Ruhestand zu schicken, wenn sie schon 45 Jahre lang Rentenbeitrag gezahlt haben. Doch nicht nur das. Weil die SPD durchgesetzt hat, dass auch Zeiten von Arbeitslosigkeit für die 45 Beitragsjahre angerechnet werden, öffnet sich die Hintertür für einen noch früheren Renteneintritt. Unternehmen könnten Beschäftigte bereits mit 61 Jahren in die Arbeitslosigkeit schicken. Zwei Jahre lang würden diese Arbeitslosengeld und zusätzlich einen kleinen Ausgleich durch das Unternehmen beziehen. Anschließend könnten sie dann mit 63 Jahren in eine Rente ohne Abzüge gehen.

Gegen eine solche "Brücke in die Frühverrentung" auf Kosten der Sozialkassen hat Arbeitsministerin Nahles nach eigener Aussage bisher noch kein "verfassungskonformes" Mittel gefunden.