Millie Bright: "Wir sind keine Roboter"
8. Februar 2023Millie Bright ist eine gefragte Frau. Als sie zu dem Treffen mit der DW auf dem Trainingsgelände des FC Chelsea am Stadtrand von London kommt, entschuldigt sie sich, dass das Gespräch mit zehnminütiger Verspätung beginnt. Eine Werbeverpflichtung nach einem zu langen Training. Das ist keine Überraschung, denn die englische Verteidigerin nimmt sich gerne Zeit für ihre Aufgaben.
Bright hatte ein großartiges Jahr 2022: Als Vizekapitänin des FC Chelsea wurde sie in der englischen Frauen-Fußball-Liga - der Women's Super League (WSL) - Meister und mit dem Nationalteam Englands Europameister. Doch von Ruhe und Erholung nach all diesen großen Erfolgen kann keine Rede sein. Chelsea fährt die Motoren weiter hoch, will nun den Champions-League-Titel gewinnen. Und: Im Pokalwettbewerb, dem FA-Cup, treffen die "Blues" auf den Londoner Rivalen FC Arsenal. Zudem beginnt Englands WM-Vorbereitung in etwa einem Monat. Volles Programm also.
Eine FIFPRO-Umfrage vor der EM 2022 ergab, dass die Innenverteidigerin mehr Spielminuten absolviert hat als jede andere Spielerin. Sie war in jeder Sekunde beim Nationalteam dabei und verpasste auch auf Vereinsebene kaum eine Minute. Diese hohe Beanspruchung kann allerdings nicht nur für Bright zum Problem werden.
Bright beklagt hohe Belastung
"Unsere Zeitpläne sind jetzt viel anspruchsvoller. Wenn man in diesen Spitzenklubs spielt, erwartet man von uns, dass wir ein Turnier nach dem anderen bestreiten und gleichzeitig um jede Trophäe kämpfen. Es ist unmöglich, durchzuhalten. Wir sind keine Roboter, unsere Körper werden zusammenbrechen", sagt sie und ergänzt: "Egal ob männlich oder weiblich, der Spielplan muss es den Spielern ermöglichen, Woche für Woche und Jahr für Jahr Höchstleistungen zu erbringen. Denn irgendwann sind die Spielerinnen ausgebrannt. dann kommt es zu Ermüdungserscheinungen und dann zu Verletzungen. Weiter zu spielen, wenn man müde ist, ist keine gute Sache."
Die Anforderungen an Spitzenspielerinnen wie Bright sind deutlich höher geworden. Die schnelle Entwicklung des Frauenfußballs gepaart mit den kontinentalen Turnieren - auch mit Blick auf die WM 2023 in Australien und Neuseeland - sorgen für mehr Verletzungen.
Die 29-Jährige sieht sich als Führungsspielerin allerdings auch in der Verantwortung, ihren Sport weiter voranzubringen. Sie räumt aber ein, dass "wir manchmal fast zu viel tun wollen". Das Gleichgewicht zwischen dem Wohlfühlfaktor, den Englands Heimturniersieg und auch die bevorstehende WM auf der einen Seite geschaffen hat und dem Wunsch nach nachhaltiger Aufmerksamkeit auf der anderen Seite, kann Probleme machen.
"Ich bin als Spielerin und als Mensch sehr hartnäckig. Daher fällt es mir schwer zu sagen, dass ich nicht bereit bin, denn ich würde alles für meinen Verein und mein Land geben und jede einzelne Minute spielen. Aber ich habe gelernt, was mein Körper braucht", sagt Bright. "Und wenn es irgendwann zu viel wird, dann muss ich in diesem Moment klug sein und sagen: 'Weißt du was, ich glaube, ich brauche einen zusätzlichen Tag Erholung'. Und ich bin wirklich froh, in einem Verein zu sein, der uns das erlaubt."
Nur Arsenal im Finale
In der WSL-Meisterschaft wird Bright allerdings kaum zur Ruhe kommen. Denn das Feld der Herausforderer ist groß. Und auch in Europa ist die Konkurrenz enorm. Seit der FC Arsenal im Jahr 2007 als erstes englisches Team das Champions-League-Finale erreicht hat, ist kein Team von der britischen Insel in diesem Wettbewerb so weit gekommen. Arsenal unterlag damals dem FC Barcelona mit 0:4. Bright ist der Meinung, dass ihr Team nun deutlich selbstbewusster an diese Aufgabe herantreten kann.
"Jeder sagt natürlich, dass wir hier sind, um zu gewinnen. Für uns ist es jetzt diese Mentalität, einfach furchtlos zu sein und zu wissen, dass wir den Kader haben, um es bis zum Ende zu schaffen.
Die Viertelfinal-Auslosung am Freitag (10. Februar, 13 Uhr MEZ) werde natürlich eine Rolle spielen. Der FC Bayern kann eines der Teams sein, das der FC Chelsea zugelost bekommt. Aber auch Real Madrid oder Paris Saint-Germain können der Gegner für die beiden Ausscheidungsspiele im März werden.
Bright wünscht sich, auf Alexandra Popp zu treffen
Bright würde sich vor allem auf ein Wiedersehen in der europäischen Königsklasse mit Deutschlands Starangreiferin Alexandra Popp freuen. Als sich Popp als eine der besten Spielerinnen des EM-Turniers beim Aufwärmen im Finale im Wembleystadion verletzte und ausfiel, dachten viele, dass Bright erleichtert sein würde. Doch weit gefehlt.
"Ich war absolut enttäuscht", sagt sie. "Sie ist eine unglaubliche Spielerin und war auf dem Spielfeld immer sehr temperamentvoll. Sie ist nie bösartig, aber immer eine gute Konkurrentin, wenn ich in der Champions League gegen sie gespielt habe. Deshalb war ich wirklich enttäuscht, dass sie in diesem Spiel nicht spielen konnte. Ich liebe diesen Kampf, diesen Wettbewerb, und ich habe mich sehr auf diese Herausforderung auf der größten Bühne gefreut."
Sie könnte diese Chance in naher Zukunft noch bekommen, denn sowohl Deutschland als auch England gehören zu den Anwärtern auf den WM-Titel. Und Popps Wolfsburgerinnen sind ein möglicher Gegner in der Runde der letzten Vier oder sogar im Finale der Champions League. Aber diese Herausforderungen sind (noch) zu weit weg, um Bright im Moment zu beschäftigen. Bis dahin gibt es noch mehr als genug zu tun.
Aus dem Englischen adaptiert von Jörg Strohschein.