Alle dafür, alle streiten
21. März 2014Der Mindestlohn wird kommen, so haben es Konservative und Sozialdemokraten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Demnach soll von 2015 eine Arbeitsstunde in Deutschland mindestens 8,50 Euro wert sein. So weit die Theorie, denn in der Praxis wird es zahlreiche Ausnahmen geben. Darüber debattierte am Freitag (21.03.2014) der Deutsche Bundestag auf Antrag der Linken, die dabei ihre Forderung in den Vordergrund stellte: einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro.
Im Gesetzentwurf, den Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dieser Tage vorgelegt hat, steht aber natürlich die mit der Union vereinbarte Zahl von 8,50 Euro. Und das sei ein Fortschritt für die Menschen, aber auch für Unternehmen, sagte Nahles' Fraktionskollegin Kerstin Griese in der Bundestagsdebatte. Denn künftig gebe es einen "fairen Wettbewerb und kein Lohndumping mehr". Vier bis sechs Millionen Menschen würden von den geplanten Regelungen profitieren. Zugleich warnte Griese vor einem "Überbietungswettbewerb", eine Anspielung auf die Vorstellungen der Linken.
Andere Länder zahlen mehr
Deren Arbeitsmarkt-Experte Klaus Ernst bezeichnete die Einführung eines Mindestlohns als "überfällig", denn rund 8,4 Millionen Menschen würden im Niedriglohnbereich arbeiten. Die von seiner Fraktion verlangten zehn Euro als Lohnuntergrenze begründete Ernst unter anderem mit einem Blick ins benachbarte Ausland. Luxemburg, Belgien, Frankreich, Irland, Niederlande - sie alle hätten einen höheren Mindestlohn. Deutschland liege mit den geplanten 8,50 Euro nur im "europäischen Mittelfeld".
Karl Schiewerling (CDU) verteidigte den Entwurf der Bundesregierung. Ein Mindestlohn sei kein "Allheilmittel" und im Übrigen gelte die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie. Demnach sind für die Lohnfindung die Tarifpartner zuständig, also Arbeitgeber und Gewerkschaften. Die Koalition habe sich deshalb für die Einführung eines Mindestlohns in jenen Bereichen verständigt, "wo keine Tarifverträge vorhanden sind", betonte Schiewerling.
Arbeitgeber warnen vor steigender Jugendarbeitslosigkeit
Mit dieser Interpretation ihres Regierungspartners kann die SPD anscheinend ganz gut leben. Ihr kam es erkennbar darauf an, die Zahl der Ausnahmetatbestände so gering wie möglich zu halten. Arbeitsministerin Nahles hat sich mit ihrem Vorschlag durchgesetzt, den Mindestlohn an ein Mindestalter von 18 Jahren zu knüpfen. Der Union wäre - unter Verweis auf das durchschnittliche Alter von Berufsanfängern - 20 Jahre als Einstiegsalter lieber gewesen. Unbehagen bereitet manchem Konservativen auch, dass es nach 2016 keine Ausnahmen mehr für einzelne Branchen geben soll.
Ähnliche Bedenken kommen immer wieder aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hatte am Tag vor der Parlamentsdebatte über den Mindestlohn den Gesetzentwurf stark kritisiert. Sollte er unverändert umgesetzt werden, würde er "beträchtlichen Schaden" auf dem Arbeitsmarkt anrichten. Der Bundesregierung warf Kramer vor, "leichtfertig" einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen. Auch die Chancen für Langzeitarbeitslose, einen neuen Job zu finden, würden dadurch geschmälert. Die Diskussion über die konkrete Ausgestaltung des Mindestlohns wird also weitergehen. Zunächst soll das Thema Anfang April auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts stehen. Danach könnte der Gesetzentwurf im Parlament verabschiedet werden.
Opposition verlangt regelmäßigen Inflationsausgleich
Ob die oppositionellen Grünen ihm am Ende zustimmen werden, scheint offen zu sein. In der Mindestlohn-Debatte lehnte Brigitte Pothmer im Namen ihrer Fraktion einerseits die Zehn-Euro-Forderung der Linken als zu hoch ab. Andererseits warf sie der Regierung vor, im geplanten Gesetz sei "riesiger Fehler". Konkret meinte die Grüne damit das beabsichtigte Einfrieren des Mindestlohns bis 2018. Prognosen zufolge würde der vorgesehene Mindestlohn dann aufgrund des Kaufkraftverlustes etwa einen Euro weniger wert sein. Deshalb sind sich die Grünen mit den ansonsten kritisierten Linken in einem Punkt einig: Der Mindestlohns müsse regelmäßig in Höhe der Inflation angehoben werden.