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Mit 27 Bürgermeister

2. September 2009

Geweckt wurde er vom Telefon. Am anderen Ende ein Radiosender. Es war nur einer von vielen, die ein Interview anfragten. Spätestens da realisierte Daniel Zimmermann, dass er nicht geträumt hatte. Eine Wahl-Reportage.

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Daniel Zimmermann, 27-jähriger Spitzenkandidat der PETO-Partei (heißt "ich fordere" auf lateinisch), hat sich ganz überaschend am 29.08.2009 bei den NRW-Kommunalwahlen gegen sechs Mitbewerber durchgesetzt. Der Doktorand wird somit einer der jüngsten Bürgermeister Deutschlands sein und die nächsten fünf Jahre der Stadt Monheim (Rheinland) vorstehen, die 43.000 Einwohner hat. (Foto: DW)
Bild: DW

Seit dem frühen Morgen hält der Lokalpolitiker nun das Handy am Ohr. Immer und immer wieder muss er berichten, wie er sich fühlt, warum er gewählt wurde für die nächsten sechs Jahre oder welche Ziele er erreichen will als Bürgermeister in Monheim. Seine Promotion an der Universität Köln muss der studierte Lehrer für Französisch und Physik vorerst ruhen lassen.

Daniel Zimmermann, Bürgermeister in spe, umringt von Fernsehkameras. (Foto: DW)
Im Mittelpunkt der Medien -Daniel ZimmermannBild: DW

Bis zum Mittag scharen sich Fernsehsender aus der ganzen Republik vor dem Rathaus um den schlaksigen jungen Mann, der sich gegen sechs Mitbewerber durchsetzte. Die Medien haben erkannt: Dieser Wahlgewinner der Kommunalwahlen vom 30. August 2009 ist eine Sensation. Ein Grund dafür ist: Er ist erst 27 Jahre alt.

"Ich bin nicht wegen, sondern trotz meines jungen Alters gewählt worden", lässt er die Reporter wissen. Oder auch kluge Erkenntnisse wie: "30 Prozent haben mich gewählt, aber 70 Prozent haben mich nicht gewählt." Dabei sieht Daniel Zimmermann ganz und gar nicht aus wie ein Pessimist - im Gegenteil: Er spricht wie ein Realist und wirkt wie ein Idealist. Seine blauen Augen strahlen, trotz der kurzen Nachtruhe. Es hat ein wenig Sekt gegeben bei der Wahlparty im Jugendzentrum Sojus. Seine Partei will durch politische Inhalte überzeugen. Ach ja, die Partei - auch deswegen sind die Reporter hier nach Monheim gepilgert.

Der designierte Bürgermeister Daniel Zimmermann telefoniert, während er von Fernsehkameras abgelichtet wird. (Foto: DW)
Allzeit ansprechbar - und bald BürgermeisterBild: DW

Die "PETO-Partei" gibt es nur in Monheim im Rheinland. Jung sind die Kandidaten allesamt, die Mitglieder ebenfalls und die meisten Wähler sowieso. Doch auch erfahren kann sich die Politikerriege nennen, zu denen Daniel Zimmermann zählt. Vor zehn Jahren, im Gymnasium, hatten er und weitere vier Schulfreunde die Idee, sich zu engagieren. Einen Verein konnten sie nicht gründen, das darf in Deutschland nur, wer mindestens 18 Jahre alt ist und sieben Leute zusammenkriegt.

Also gründeten die damals Minderjährigen eine Partei. "Es hätte auch eine Theater-AG sein können", scherzt Daniel Zimmermann. Dass es auf ein politisches Engagement hinauslief, ist der Tatsache geschuldet, dass Schüler in Nordrhein-Westfalen mit 16 Jahren bei Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Doch von keiner Partei in der 43.000 Einwohner zählenden Stadt fühlten sich die Pennäler damals verstanden und gut vertreten.

Keine Spaß-Partei

Den Stoff für das Partei-Programm fanden die Schüler im eigenen Leben. Stolz weisen Daniel Zimmermann und seine Parteikollegen auf das Erreichte hin. Die Schulen wurden saniert, in der Musikschule werden alle Erstklässler kostenlos unterrichtet. Junge Bands haben Proberäume zum Üben erhalten.

Dr. Thomas Dünchheim schaut Daniel Zimmermann über die Schulter, der auf dem Bürgermeister-Sessel Platz genommen hat. (Foto: DW)
Wachablösung im Monheimer RathausBild: DW

Selbst der scheidende Bürgermeister Thomas Dünchheim von der CDU zollt seinem Nachfolger und dessen Mitstreitern Anerkennung und Respekt. Vor laufenden Kameras proben die beiden schon einmal die Amtsübergabe vor und im Rathaus.

Die CDU hatte selbst einen erst 31 Jahre alten Kandidaten aufgestellt. Doch Tim Brühland stammt aus dem benachbarten Wülfrath und war den Insidern aus Monheim unterlegen. 600 Stimmen gaben den Ausschlag, das sind knapp vier Prozentpunkte Vorsprung. Im Stadtrat bilden die renommierte Volkspartei und die Jugendpartei mit je 12 Sitzen nun die stärksten Fraktionen.

Heimat verbunden und bürgernah

"PETO" heißt "ich fordere" auf lateinisch. In den nächsten Jahren aber werden die Monheimer Bürger und die politischen Gegner Forderungen an Daniel Zimmermann und seine Parteifreunde stellen. Der Bürgermeister in spe freut sich schon auf die Herausforderungen.

"Ich möchte meiner Stadt etwas geben", begründet er seine Motivation, während seine Fraktionschefin Lisa Riedel ihm ein Brötchen und eine Flasche Wasser reicht. Gut vernetzt seien er und seine Leute. Die Pflege der guten Atmosphäre der Lokalpolitiker untereinander nennt er als ein Motiv für den Erfolg.

Noch verbessert werden soll die Kinderbetreuung. Zwei Sportplätze zu sanieren, hat PETO im Wahlkampf versprochen. Aber auch für die ältere Wählerschaft macht die Partei Programm.

Lisa-Riedel und Florian Große-Allermann von der PETO-Partei mit einem älteren Bürger vor dem Rathaus in Monheim. (Foto: DW)
Alt und jung rücken näher zusammenBild: DW

Mehr gewerbliche Unternehmen wollen die jungen Lokalpolitiker in die Stadt zwischen Düsseldorf und Leverkusen locken. Der Einzelhandel soll gestärkt werden. Damit auch die Älteren sich weiter einbringen können, haben die Mitglieder die Arbeitsgruppe "30plus" gegründet.

250 Mitglieder hat PETO. Über die Stadtgrenzen hinaus will man nicht wachsen. "Auch nicht nach Berlin in die Bundespolitik zieht es mich", erklärt Daniel Zimmermann mit Nachdruck und nicht nur einmal an diesem Tag, während er sich, auf Wunsch der Fernsehreporter, vor sein neues Büro im Rathaus stellt - neben die Galerie der früheren Bürgermeister Monheims, noch etwas zaghaft und mit gebührendem Abstand. Doch der alten Garde wird er mit der Zeit sicherlich noch näher rücken.

Autorin: Karin Jäger
Redaktion: Kay-Alexander Scholz