Mit dem Mikroroboter unterwegs im Körper
1. Juni 2017Man mag es sich kaum vorstellen: Eine winzige Spirale, ein Miniminiroboter, schnappt sich ein einzelnes Spermium, führt es zielsicher zu einer Eizelle und liefert es dort ab.
Bisher funktioniert dieser Spermbot nur in der Petrischale und mit Rinderspermien. Aber vielleicht könnte er eines Tages Frauen mit Kinderwunsch helfen, sagt Oliver Schmidt vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden.
"Bei manchen Männern sind die Spermien zwar nicht mehr beweglich, aber gesund. Die würden wir gerne künstlich antreiben, damit sie ihr finales Ziel auch erreichen." Doch der Weg dahin sei noch weit, fügt der Physiker hinzu.
Die größte Hürde für den Einsatz solcher Mikroroboter im Körper ist die Bildgebung: "In der Petrischale können wir alles mit hochauflösender Mikroskopie machen", sagt Schmidt im Interview mit der Deutschen Welle. "Sobald man aber tief ins Gewebe hineingeht, verliert sich die Auflösung". Auch der modernste Computertomograph reiche bisher nicht aus, um einen so winzigen Roboter sicher an sein Ziel steuern zu können. Zudem muss man den Roboter in Echtzeit verfolgen können.
Die Dresdner Forscher steuern ihren Mikroroboter über ein Magnetfeld, das außen um den Versuchsaufbau rotiert. "Es darf kein permantentes Magnetfeld sein und es reicht aus, wenn das Feld recht schwach ist." Für den menschlichen Körper sei es nicht gesundheitsschädlich, versichert Schmidt.
Herstellung durch Laserlicht in einer Flüssigkeit
Die Mikroroboter-Spirale wurde mit einem 3D-Drucker der Karlsruher Firma Nanoscribe hergestellt. Diese Drucker sind in der Lage, einzelne Punkte mit einem Durchmesser von 200 Nanometern zu drucken. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 50.000 Nanometern.
Das Drucken geschieht mit einem speziellen Laserlicht in einem Fotolack. "Dort, wo der Laser besonders stark fokussiert ist, wird das Material hart", erklärt Andreas Frölich, Physiker bei Nanoscribe. "So kann man wie mit der Spitze eines Stiftes dreidimensional zeichnen". Die ausgehärteten Strukturen sind aus einem Kunststoff - einem Polymer.
Vom Prinzip her ähnelt das Verfahren einem üblichen fotochemischen Prozess. Bei normalem Fotolack löst ein Lichtteilchen (Photon) ebenfalls eine Polymerisation aus.
Für den Nano-3D-Druck reicht das aber nicht aus: Zum Aushärten des Lackes müssen immer zwei Lichtteilchen gleichzeitig auf ein Molekül treffen, um eine Wirkung zu erzielen. Deshalb nennt es sich auch 2-Photonen-Polymerisation.
Extrem kurze Lichtimpulse bilden einen Kunststoff
Unter normalen Umständen kommt es praktisch nie dazu, dass zwei Photonen gleichzeitig wirken. Um diese zu erzeugen, kommt ein Femtosekundenlaser zum Einsatz. Er erzeugt Pulse, die nur eine hunderttausendmilliardste Sekunde dauern. Sie sind extrem energiereich, werden aber nicht gefährlich heiß.
Weil die Strukturen so winzig sind, geschieht das ganze nicht in einem mit Flüssigkeit gefüllten Behälter, sondern auf einem Chip. Darauf lassen sich hunderttausende derartiger Mikroroboter herstellen.
"Anschließend beschichtet man sie mit magnetischen Materialien", sagt der Dresdner Physikprofessor Schmidt. "In einem weiteren Verfahren lösen wir die Roboter komplett ab und sie gelangen in eine Flüssigkeit". Dann können sie für medizinische oder Laborzwecke verwendet werden.
Mit Spermien gegen Krebs?
Noch bevor es zur Befruchtung einer Eizelle mit Hilfe eines solchen Mikroroboters kommen könnte, lässt sich vielleicht eine andere Anwendung realisieren, hofft Schmidt. Gemeinsam mit seinem Team möchte er mit Hilfe von Spermien Krebs bekämpfen. Wie das gehen soll? Spermien haben eine ganz besondere Fähigkeit: Sie sind in der Lage, Zellwände zu durchdringen.
"Es ist möglich, Spermien mit chemotherapeutischen Medikamenten zu befüllen", sagt Schmidt. "Diese transportieren das Medikament zu Krebszellen und geben es dort ab."
Das Problem mit der unzureichenden Bildgebung, ließe sich bei einer solchen Anwendung möglicherweise einfacher lösen. Die Forscher würden nicht mehr einen einzelnen Mikroroboter steuern, sondern gleich einen riesigen Spermbot-Schwarm. Und der wäre auch mit vorhandenen Möglichkeiten leichter sichtbar zu machen.
So könnten Mediziner vielleicht einmal Medikamente präzise dorthin bringen, wo sie gebraucht werden. Eine Chemotherapie wäre dann für den Patienten viel schonender.
Viele weitere Anwendungen in der Medizin
Für Mikrostrukturen aus dem Nanoscribe 3D-Drucker gibt es eine Fülle weiterer Anwendungen. Einige davon wurden auch schon erfolgreich erprobt. So gelang es italienischen Medizinern, die feine Oberflächenstruktur eines Knochens zuerst mit einem Mikro-CT abzuscannen und dann detailgetreu auf eine Oberfläche zu übertragen. Anschließend versetzten die Forscher diese Oberfläche im Labor mit lebenden Knochenzellen. Und siehe da: "Sie wurden viel besser angenommen als es von einer glatten Oberfläche zu erwarten gewesen wäre", erzählt Andreas Frölich von Nanoscribe.
Auch am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) haben Forscher Strukturen so ausgedruckt, damit sich Zellen wohlfühlen und ansiedeln. "Es geht darum, Zellen vorzugaukeln, dass sie in ihrer natürlichen Umgebung sind".
Die Mikro-Drucker kommen auch bei der Herstellung feinster Instrumente für minimalinvasive Operationen zum Einsatz: "Wir haben Kunden, die auf neuartige Endoskope Linsensysteme oder Mini-Greifer auf Drähte drucken", sagt der Physiker. "So lässt sich der Operationsort im Körper beobachten, gleichzeitig kann man mit dem daneben liegenden Greifer zum Beispiel in der Blutbahn ein Pfropfen entfernen". Noch ist die Technik nicht in den Krankenhäusern angekommen, aber erprobt wird sie schon.