Waldbrände: Kritik an türkischer Regierung
4. August 2021Seit mehr als einer Woche nehmen die massiven Waldbrände im Süden der Türkei kein Ende - starke Winde und extreme Hitze fachen die Feuer immer wieder an. Tausende Feuerwehrleute versuchen die Flammen an der türkischen Mittelmeerküste unter Kontrolle zu bringen. Bisher konnten die verheerenden Waldbrände, die sich überwiegend in den Touristenregionen Antalya und Mugla ereignen, nur teilweise unter Kontrolle gebracht werden. Dutzende Dörfer und Hotels wurden evakuiert - zahlreiche Einheimische und Touristen mussten mit Booten in Sicherheit gebracht werden.
Schlimmste Brände seit einem Jahrzehnt
Der Schaden ist bereits jetzt enorm: Für neun Menschen kam jede Hilfe zu spät, etliche Menschen wurden verletzt. Von vielen Häusern - vor allem in Manavgat, einer Stadt in der Provinz Antalya - ist nur noch Asche übrig geblieben. Seit Jahresbeginn wurde nach Auskunft der türkischen Behörden bereits eine Fläche von 2138 Hektar zerstört.
Die aktuellen Waldbrände gelten als die schlimmsten in der Türkei seit gut einem Jahrzehnt. Dennoch, meint der Ökologe und Fachmann für Waldbrände İsmail Bekar, sei die Aufmerksamkeit in diesem Jahr besonders groß: "Auch letztes Jahr gab es massive Brände in der Türkei", sagte er der DW. "Die Feuer werden dieses Jahr medial mehr wahrgenommen, deshalb denken viele Menschen, dass plötzlich alles in Flammen steht."
Marodes Löschgerät erschwert Einsatz
Doch neben der Sorge wächst in der Bevölkerung auch der Unmut über das Krisenmanagement der Regierung. Laut Ministerium für Land- und Forstwirtschaft sind gerade einmal sechs Feuerlöschflugzeuge gegen die Waldbrände im Einsatz. Hinzu kommen nach Angaben des Ministerium zwar 45 Hubschrauber. Dennoch verweisen Kritiker darauf, dass die meisten europäischen Länder mit mediterranem Klima deutlich besser ausgerüstet seien.
Weiter befeuert wird die Unzufriedenheit in der türkischen Gesellschaft durch Berichte über viele technische Probleme beim Kriseneinsatz des türkischen Luftfahrtverbands THK, der die Löschflugzeuge und -hubschrauber sowie weiteres Löschgerät betreibt. Die Regierung, der der THK untersteht, heißt es, habe den Verband vernachlässigt und die Ausrüstung nur dürftig in Stand gehalten.
Twitter-Kampagne: #helpturkey
Auch in den Sozialen Medien schimpfen viele Nutzer über die türkische Regierung. Am Sonntagabend starteten einige Twitter-Nutzer die Kampagne #helpturkey. Unter dem Hashtag werben zahlreiche Menschen bei der internationalen Gemeinschaft um Solidarität und Hilfe: "Wir möchten alle Länder dazu aufrufen, uns zu helfen." Man sei auf internationale Hilfe angewiesen, weil es nicht genug Löschflugzeuge gebe, heißt es in dem Appell. Die Kampagne ging schnell viral, auch weil berühmte Persönlichkeiten sie unterstützten.
Mittlerweile hat die Türkei Unterstützung aus dem Ausland erhalten: Die Europäische Union, mit der Ankara seit einiger Zeit schwierige Beziehungen unterhält, sprang ein und schickte drei Löschflugzeuge an die türkische Mittelmeerküste. Auch Russland, die Ukraine, Aserbaidschan und der Iran haben Flugzeuge in die betroffenen Gebiete verlegt.
Der türkische Staat hat angekündigt, Hilfsgelder zur Regulierung der Schäden bereitzustellen, die durch die Brände entstanden sind. Präsident Recep Tayyip Erdogan versprach, 50 Millionen türkische Lira in der Provinz Antalya zu investieren, um den "dringenden Bedarf in den betroffenen Gebieten zu decken". Damit sollen vor allem Schäden in der Landwirtschaft, der Viehzucht und an Gewächshäusern kompensiert werden.
Regierung sucht Verantwortliche
Auf der Suche nach Ursachen hat die türkische Regierung nicht ausgeschlossen, dass "Saboteure" für die Waldbrände verantwortlich sein könnten. Die Opposition und einige Betroffene sehen darin den Versuch, von dem - aus ihrer Sicht - missratenen Krisenmanagement abzulenken.
Auch Klimaforscher Bekar hält es für fragwürdig, reflexhaft von Brandstiftung auszugehen: "Im mediterranen Raum kann bei heißem und trockenem Wetter schon der kleinste Funke große Brände verursachen."
Aus dem Türkischen adaptiert von Daniel Derya Bellut