Mit Hermann Hesse ins Tessin
Vor 100 Jahren zog der Schriftsteller Hermann Hesse in den Süden der Schweiz. Im Tessin lebte er 43 Jahre bis zu seinem Tod und schrieb seine berühmtesten Werke. Eine Reise auf den Spuren des Nobelpreisträgers.
Luganersee: Eine anziehende Landschaft
1919 kam Herman Hesse in den Kanton Tessin, um zu bleiben. In der malerischen Landschaft fand er Ruhe und Inspiration. Sein neues Zuhause lag nah des Luganersees, an dem er oft spazieren ging. Geboren im deutschen Calw bei Stuttgart, lebte er mit Familie erst am Bodensee, später im schweizerischen Bern. Ins Tessin kam er allein. Er ließ seine zerrüttete Ehe und auch seine Familie hinter sich.
Neue Heimat in Montagnola
Im Ort Montagnola oberhalb des Luganersees mietete der Autor vier Zimmer in der Casa Camuzzi (links im Bild). Das schlossartige Gebäude hatte sich ein Tessiner Baumeister im 18. Jahrhundert als neobarocken Palazzo errichten lassen. Nebenan (rechts) befindet sich heute das Museum Hermann Hesse. Ein Büchertisch mit seinen Werken lädt zum Lesen ein.
Ein Ort der Schaffenskraft
Der Schreibtisch des Autors steht im Museum, ebenso eine seiner Schreibmaschinen. Von seinem Fenster aus konnte er in einen mediterranen Terrassengarten schauen, der ihn zu mehreren Szenen inspirierte, etwa in der Erzählung '"Klingsors letzter Sommer". In der Casa Camuzzi entstanden viele berühmte Werke, so die indische Erzählung "Siddharta" und der weltbekannte "Steppenwolf".
Mit Skizzenblock über Berg und Tal
Hermann Hesse war passionierter Wanderer, der das Tessin auf zahlreichen Ausflügen erkundete. Über einen Tag im acht Kilometer entfernten Carona hat er in der Erzählung "Klingsors letzter Sommer" geschrieben. Auch zum Malen ging Hesse hinaus in die Natur und fertigte Skizzen und Aquarelle an. Besonders gefielen ihm die Kirchen im Tessin.
Zu Besuch im Papageienhaus
Im Dorf Carona lernte Hermann Hesse seine zweite Frau Ruth Wenger kennen. Im Haus ihrer Familie war Hesse oft zu Gast. Er nannte es das "Papageienhaus" wegen der Malerei am Giebel, die einen Papagei zeigt. Bereits nach drei Jahren wurde die Ehe schon wieder geschieden - zu verschieden waren die Lebensentwürfe.
Bei den Anarchisten auf dem Monte Verità
Schon bevor Hesse ins Tessin zog, hielt er sich gern hier auf: 1907 kam er zur Kur auf den Monte Verità oberhalb von Ascona. Hier hatte sich eine Kolonie von Lebensreformern angesiedelt. Sie lebten Anarchie, Nudismus, Vegetarismus und versorgten sich selbst. Heute gibt es auf dem Hügel neben dieser Skulptur von Hans Arp ein Hotel im Bauhaus-Stil sowie die einzige Teeplantage der Schweiz.
Auf Hesses Spuren durch Montagnola
Wer Hesses ehemaligen Wohnort Montagnola besucht, kann auf einem Rundweg etwa 2,5 Stunden auf seinen Spuren wandeln. Die Wegweiser tragen die Signatur des Schriftstellers. 1931 zog Hesse von der Casa Camuzzi in ein eigenes Haus, das ihm ein Mäzen gebaut hatte: die Casa Rossa. Seine dritte Frau, die 20 Jahre jüngere Ninon Dolbin, zog mit ein. Casa Rossa ist heute in Privatbesitz.
Letzte Ruhestätte
Hermann Hesse wusste genau, an welchem Ort er einmal begraben werden wollte: Er wählte dafür die Pfarrkirche Sant’ Abbodino. Sie steht etwas außerhalb, etwa anderthalb Kilometer von Montagnolas Zentrum entfernt. Eine schmale Zypressen-Allee führt zur Kirche. Erstmals erwähnt wurde sie 1372, innen ist sie mit kunstvollen Malereien und Stuckarbeiten ausgestattet.
Pilgerstätte für Literaturliebhaber
Auf dem zugehörigen Friedhof fand Hermann Hesse seine letzte Ruhe. Der Grabstein hat die Form eines aufgeschlagenen Buches. Bis heute kommen Bewunderer seiner Werke hierher, um sich dem Schriftsteller von Weltrang nah zu fühlen. Er starb in der Nacht zum 9. August 1962 an einem Schlaganfall. "Nie aber habe ich so schön gewohnt wie hier im Tessin", bekannte er 1954 in seinem "Dank ans Tessin".