Mit Mücken gegen Dengue
15. August 2012Dengue ist ein Tropenfieber, das den Symptomen nach einer Grippe ähnelt: Fieber mit Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Ausschlag. Die meistens Infektionen verlaufen relativ mild und dauern nicht länger als eine Woche.
Aber es gibt auch schwerere Fälle: rund eine halbe Million pro Jahr, teilweise mit tödlichem Ende. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Krankheit stark ausgebreitet. Und selbst Europa ist nicht sicher: 2010 wurden in Deutschland mehr als 600 infizierte Reiserückkehrer diagnostiziert. "Die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Wir gehen von zehnmal so vielen Fällen aus", sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Im selben Jahr wurden erstmals Übertragungen der Krankheit in Frankreich und Kroatien registriert.
Die Wurzel des Übels
Mit ihrer schwarz-weißen Musterung ist Aedes aegypti, so der wissenschaftliche Name der Mücke, recht hübsch anzuschauen. Doch sie überträgt gleich eine ganze Reihe von Viren, ist einer der Hauptüberträger des Gelbfiebers und hat der Menschheit übel mitgespielt: Im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 etwa sollen mehr US-Soldaten solchen Infektionen erlegen sein als den feindlichen Waffen. Inzwischen kann man sich gegen Gelbfieber impfen lassen, gegen Dengue aber nicht.
Versuche, die Moskitos mit Hilfe von Insektiziden zu bekämpfen, sind fehlgeschlagen. In Brasilien gab es deshalb Aufklärungs-Kampagnen, die Menschen zum Beispiel dazu anhielten, keine Autoreifen herumliegen zu lassen, selten benutzte Toiletten regelmäßig zu spülen und überhaupt stehendes Wasser zu vermeiden. Denn darin entwickeln sich die gefährlichen Mückenlarven. Aber Dengue-Mücken brüten auch in Blütenkelchen, Pfützen und Felsmulden – schon ein Teelöffel Wasser genügt ihnen zur Eiablage.
Genetischer Ansatz
Britische Forscher der Firma Oxitec haben nun eine gentechnisch veränderte Mücke erzeugt, bei der die männlichen Tiere nicht lebensfähigen Nachwuchs zeugen. Sie sollen sich anschließend - freigelassen - mit weiblichen Tieren paaren. Die befruchteten Eier wachsen bis ins späte Larven- oder frühe Puppenstadium heran und sterben dann ab.
Oxitec hat die Mücken bereits erfolgreich in Freilandversuchen auf den Kaimaninseln und in Malaysia getestet. 2011 stieg die Biofabrik Moscamed im brasilianischen Juazeiro in das Projekt ein. Hier, im Hinterland des brasilianischen Bundesstaates Bahia, ist Dengue so verbreitet wie kaum sonst irgendwo auf der Welt.
"Brasilien ist das erste Land, das Mücken in großem Umfang produziert und einsetzt", sagt die Biologin Margareth Capurro von der Universität São Paulo. Sie koordiniert das "Projekt für genveränderte Aedes". Über 550.000 manipulierte Mücken werden hier pro Woche gezüchtet und in zwei Test-Vierteln der Stadt ausgesetzt. Mit Erfolg: Nach sechs Monaten verzeichneten die Forscher einen Rückgang der Mücken-Population um 90 Prozent.
Künftig sollen wöchentlich rund vier Millionen Mücken "vom Band laufen" und auch andere Orte Brasiliens von der Plage befreien, als erstes die 80.000-Einwohnerstadt Jacobina. "Freigelassen werden nur die Männchen. Die können nicht stechen, aber sie übertragen das tödliche Gen an die gemeinsame Brut", erklärt Capurro.
Biologische und virologische Bedenken
Während die Geschäftsführung von Moscamed auf die Unbedenklichkeit der Versuche für das Ökosystem verweist, ist der Virologe Schmidt-Chanasit skeptischer: "Die Ägyptische Stechmücke existiert seit Jahrzehnten in Brasilien und ist inzwischen voll integriert". So sei sie auch ein Teil der Nahrungskette geworden. Abgesehen davon seien die Auswirkungen der Gentechnik nach wie vor kaum absehbar, gibt Schmidt-Chanasit zu bedenken.
Vor allem aber zweifelt der Virologe am langfristigen Erfolg: "Das Virus ist sehr variabel und kann sich an andere Stechmücken anpassen." Schon jetzt sei die Aedes agypti zwar der häufigste, aber nicht der einzige Überträger. Das sieht die Biologin Capurro ganz anders. Sie meint, die Chance, dass das Virus sich verändert oder in großem Maße von einer anderen Mücke übertragen wird, sei praktisch Null.
Auch wenn Schmidt-Chanasit Vorsicht beim Einsatz der genveränderten Spezies in der Natur anmahnt, ist er gespannt auf die Ergebnisse: "Wenn das Projekt erfolgreich verläuft, könnte es als Vorbild für andere Länder und den Kampf gegen ähnliche Krankheiten wie Malaria dienen."