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KonflikteEuropa

Mit Putin reden? Kaum Chancen für Kriegsende in der Ukraine

Roman Goncharenko
27. Juni 2024

Nach der Friedenskonferenz in der Schweiz bereitet die Ukraine bereits ein neues Treffen vor. Deutsche Diplomaten glauben allerdings nicht, dass Verhandlungen mit Russland über ein Kriegsende bald möglich sind.

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Porträtaufnahmen von dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und Russlands Staatschef Putin, Archivbilder
Der ukrainische Präsident Selenskyj und Russlands Staatschef Putin, Archivbilder Bild: Olivier Matthys/AP/dpa/Mikhail Metzel/Sputnik/picture alliance

Sind Verhandlungen über ein Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine noch in diesem Jahr möglich? Vielleicht sogar noch vor der US-Präsidentenwahl im November und mit russischer Beteiligung?

Die Ukraine arbeitet gerade daran, eine weitere Friedenskonferenz in wenigen Monaten einzuberufen. Als ein möglicher Ort wird in westlichen Medien immer öfter Saudi-Arabien genannt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will das Tempo seiner diplomatischen Offensive beibehalten und kündigte deshalb für Juli "neue konkrete" Schritte an. Es geht offenbar um Arbeitsgruppen für einen ukrainischen Friedensplan.

Gruppenbild der Teilnehmer der Ukraine-Konferenz in der Schweiz, 15. Juni 2024. Auf der Wand dahinter steht "Summit for Peace in Ukraine"
Teilnehmer der Ukraine-Konferenz in der Schweiz, 15. Juni 2024Bild: Moncloa/EUROPA PRESS/dpa/picture alliance

Diplomatie, damit Dialog nicht abbricht  

Die erste hochrangige Konferenz fand Mitte Juni in der Schweiz statt. Rund 80 Länder nahmen teil, Russland war nicht eingeladen worden, China fern geblieben.

Die Debatten beschränkten sich auf Themen wie freie Handelswege, atomare Sicherheit und Gefangenenaustausch. Auch eine diplomatische Tür für künftige russische Teilnahme wurde geöffnet.

Der Frieden in der Ukraine brauche eine "Beteilung von und Dialog zwischen allen Parteien", heißt es in der Abschlusserklärung. Gibt es im dritten Kriegsjahr nun die Möglichkeit für echte Friedensverhandlungen? 

Die DW hat darüber mit zwei wichtigen Vertretern der deutschen Diplomatie gesprochen: Rüdiger von Fritsch, ehemaliger Botschafter in Moskau und einstiger Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes. Und Christoph Heusgen,  Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und früherer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. 

Porträtaufnahme des  Ex-Botschafters Deutschlands in Moskau, Rüdiger von Fritsch, Archiv
Erfahren: Rüdiger von Fritsch, Deutschlands Ex-Botschafter in Moskau (Archivbild) Bild: DW

Von Fritsch: "Putin hat kein Interesse an Kriegsende"

Beide Diplomaten dämpften Hoffnungen auf schnelle Verhandlungen mit Russland. Denn noch vor der Konferenz in der Schweiz, als der russische Präsident Wladimir Putin seine Sicht für einen Waffenstillstand präsentierte, zeigten sich die gegensätzlichen Haltungen.

Laut Moskau soll sich die ukrainische Armee aus vier von Russland 2022 annektierten Gebieten im Süden und Osten zurückziehen und einem NATO-Beitritt abschwören. Dann würden die Waffen schweigen, so Putin.

Ex-Botschafter Rüdiger von Fritsch glaubt nicht daran. Putin habe "im Moment überhaupt kein Interesse, diesen Krieg zu beenden, wenn am Ende seine Aggression belohnt wird". Das wäre der Fall, wenn man auf seine Vorstellungen eingehen würde, so der Diplomat.

Inhaltlich sei Putins Angebot "überhaupt nicht ernst gemeint", meint auch MSC-Chef Christoph Heusgen. Es ginge dem russischen Präsidenten eher darum, "Sand ins Getriebe" der Schweizer Konferenz zu streuen und auf die Reaktion zu schauen.

Christoph Heusgen bei einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2024
Top-Diplomat Christoph Heusgen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, Februar 2024Bild: Matthias Schrader/AP/picture alliance

Heusgen: "Ukraine braucht NATO-Mitgliedschaft"

Vor diesem Hintergrund bezweifeln beide Diplomaten, dass Verhandlungen schon bald möglich sein könnten. Als erstes müsse "Putin die legitime Regierung der Ukraine und Präsident Selenskyj als Gesprächspartner anerkennen".

Soweit sei man aber noch nicht. Erst Ende Mai hatte der russische Präsident die Legitimität von Selenskyj in Frage gestellt. Als Anlass diente das formale Ende von dessen regulärer Amtszeit. Diese wurde jedoch nach ukrainischen Gesetzen automatisch verlängert, weil es bei Kriegsrecht keine Wahlen geben kann.

Außerdem solle sich Russland an die UN-Charta halten, so Heusgen. Darauf weist auch das Abschlusskommuniqué der Schweizer Konferenz hin. "Die einzige Chance auf Frieden sehe ich, wenn in diesem Konflikt die Ukraine wieder in eine Position der Stärke versetzt wird", sagt der MSC-Leiter.

Russland sei weit von der ukrainischen Position und einem möglichen Ergebnis entfernt, sagt Heusgen. Deshalb glaube er nicht daran, "dass wir im Herbst eine Konferenz mit der Teilhabe Russlands bekommen". Die Ukraine und deren Partner im Westen würden einen "langen Atem" brauchen.

Ein zerstörtes Wohnhaus nach einem russischen Bombenangriff Angriff auf die Stadt Charkiw, Juni 2024
In Schutt und Asche: Ein ausgebranntes und zerstörtes Wohnhaus nach dem russischen Bombenangriff auf Charkiw im JuniBild: Ukrainian Emergency Service/AP/picture alliance

Von Fritsch: Putin hat Angst vor Aufstand   

Heusgen spricht das aus, was viele im Westen, wie er glaubt, ungern hören: Im Falle einer Einigung mit Russland würde die Ukraine stärkere Sicherheitsgarantien brauchen als bisher.

"Aus meiner Sicht kann ein Abkommen mit Russland nur dann für die Ukraine erträglich sein, wenn damit eine NATO-Mitgliedschaft einhergeht", sagt Heusgen. Die Ukraine hat seit 2008 eine Zusicherung, der NATO beitreten zu können, aber keinen Kandidatenstatus.

Auch Rüdiger von Fritsch glaubt nicht an schnelle diplomatische Erfolge. Der frühere Botschafter in Moskau glaubt, dass Putin nur dann zu substanziellen Verhandlungen bereit wäre, wenn seine Macht innerhalb Russlands gefährdet wäre.

Bei den Protesten gegen eine Teilmobilmachung in Moskau im September 2022 wird eine Frau festgenommen
Repression: Eine Frau wird bei den Protesten gegen eine Teilmobilmachung in Moskau im September 2022 festgenommenBild: Alexander Nemenov/AFP

"Wladimir Putin muss sich ständig zu Hause die Zustimmung der Bevölkerung erkaufen, er regiert sein Land mit Repressionen, Propaganda und ständiger Bestechung", so von Fritsch.

Nicht nur die russische Wirtschaft sei unter Druck. Der Kreml fürchte auch einen "schwarzen Schwan", also etwas Unerwartetes, zum Beispiel einen Aufstand, der seine Macht gefährden könnte.

Als Beispiel nannte der Diplomat die Proteste sowjetischer Soldatenmütter gegen den Krieg in Afghanistan in den 80er Jahren oder die Massendemonstrationen der Gewerkschaft Solidarnosc unter Anführer Lech Walesa, die das kommunistische System in Polen zum Sturz brachten - ebenfalls in den 80er Jahren.

"Davor hat Putin Angst", sagt von Fritsch. "Und an den Punkt muss man ihn bringen. Wenn er zu dieser Abwägung kommt, dann ist er gesprächsbereit." Der Weg dahin führe über eine Stärkung der Ukraine und weitere Sanktionen gegen Russland.