Mit Zahlen gegen Islamfeindlichkeit
12. März 2018Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Religion - diese Themenbereiche unterscheidet das Bundesinnenministerium (BMI) in seiner Kriminalstatistik zur politisch motivierten Kriminalität bereits seit vielen Jahren. 2017 ist ein weiteres Thema hinzugekommen: Islamfeindlichkeit.
Als Ziel gab Bundesinnenminister Thomas de Maizière Ende 2016 aus, genau erfahren zu wollen, ob diese Form der Kriminalität in Deutschland ansteige. Die Vermutung drängte sich auf, nachdem von Mitte 2015 bis Mitte 2016 73 Angriffe auf Moscheen registriert worden waren. Die massenhafte Zuwanderung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien, dem Irak und Zentralasien sowie Menschen aus Nordafrika hatte der islamkritischen Pegida-Bewegung regen Zulauf beschert, den politischen Aufstieg der AfD befördert und antiislamische Ressentiments in vielen Teilen der Bevölkerung geschürt.
Die Statistik zur Hasskriminalität 2017 wird das BMI voraussichtlich erst im Mai präsentieren. Doch bereits vergangene Woche berichteten mehrere Medien über Zahlen, die die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung abgefragt hatte. Demnach gab es im Jahr 2017 nach bisherigem Stand 49 Angriffe auf Moscheen und insgesamt 950 islamfeindlich motivierte Straftaten, bei denen 33 Menschen verletzt wurden.
Schwierige Datenerfassung
Verlässliche Daten, sagt Christian Pfeiffer, der frühere Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, seien frühestens 2019 oder 2020 zu erwarten: "So lange braucht jede Kriminalstatistik, bis die Erfassung funktioniert." Klar sei aber schon jetzt, dass die Einführung der Kategorie ein wichtiger Schritt ist, um islamfeindliche Straftaten künftig besser bekämpfen zu können.
Auch in der Berliner Beratungsstelle für Rassismusopfer "ReachOut" kennt man die Schwierigkeiten bei der Erfassung von Hasskriminalität: "Wir dokumentieren in unserem Netzwerk seit 2015 rassistisch motivierte Angriffe", erklärt Projektleiterin Sabine Seyb der DW. "Und wir merken, wie schwer es ist, eine Tat einer bestimmten Gesinnung zuzuordnen." Eine detaillierte Erfassung unter klaren Kriterien sei aber eine Voraussetzung dafür, gezielte Präventionsmaßnahmen zum Schutz potenzieller Opfer anzustoßen.
Gewalt nicht nur von Rechtsextremen
Die Ermittlungen aktueller Fälle machen deutlich, was Seyb damit meint: Zwischen dem 9. und dem 12. März dieses Jahres wurden in fünf deutschen Städten Anschläge auf Moscheen, ein türkisches Kulturzentrum und einen Türkisch-Deutschen Freundschaftsverein verübt.
Es gibt Hinweise darauf, dass einige der Täter dem Umfeld der als Terrororganisation eingestuften Türkischen Arbeiterpartei PKK zugerechnet werden können. Das Motiv wäre dann vermutlich nicht Islamfeindlichkeit, sondern Protest gegen die Repression der türkischen Regierung gegen die PKK und andere kurdische Organisationen - etwa in der syrischen Provinz Afrin. "Angesichts der innenpolitischen Lage in der Türkei", sagt Kriminologe Pfeiffer, "wäre das nicht völlig überraschend."
Gleichzeitig liegt bei Anschlägen auf Migranten, Ausländer oder deren Einrichtungen der Verdacht nahe, dass die Täter aus dem rechtsextremen Milieu stammen können. Nach Zahlen des BMI waren 90 Prozent aller Taten von Hasskriminalität "rechts" motiviert. Auch die Gewalttaten mit politischen Motiven gingen demnach zu 85 Prozent auf das Konto von Rechtsextremen.
Es gilt, die Bedrohung zu verstehen
Wie die jüngsten Fälle deutlich machen, kommt die Gefahr für Moscheen oder Moscheenverbände aus verschiedenen Richtungen. Eine akkurate statistische Erfassung der Taten, sagt Pfeiffer, könne dabei helfen, zu verstehen, welche Moscheen gefährdet sind und durch wen.
Eine allgemeine Formel, um derlei Straftaten vorzubeugen, sagt Pfeiffer, gebe es nicht. Die Videoüberwachung der Einrichtungen etwa wäre immer nur ein erster Schritt. Der am meisten erfolgversprechende Ansatz sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Moscheenverbänden und kommunalen Präventionsräten oder auch Landeskriminalämtern: "Oftmals wissen die Vertreter selbst am besten, wer eine potenzielle Bedrohung für sie darstellt", sagt Pfeiffer. "Gemeinsam mit den Behörden können sie die spezifische Gefährdungslage analysieren und maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte entwickeln."