Mit Umweltprogrammen aus der Illegalität
4. Januar 2011„Rio 2016, eine andere Zukunft beginnt jetzt“ – lautet der Spruch auf vielen Plakaten, mit denen die Häuserwände der Stadt gepflastert sind. In der Guanabara-Bucht spielen Kinder am Strand Fußball, vielleicht schon zur Vorbereitung auf die Fußball-WM, die 2014 nach Brasilien kommt. Neben ihnen liegt eine Gruppe Sonnenanbeter. Alles scheint ganz idyllisch, doch Rio de Janeiro hat zwei Gesichter: Neben Urlaubsidylle leben viele Menschen in Armut. Gewalt ist an der Tagesordnung.
Trotzdem wird Brasilien neben der Fußball-WM 2014 als erstes südamerikanisches Land die Olympischen Spiele 2016 ausrichten. Dafür hat die Regierung ein umfangreiches Infrastrukturkonzept für Rio entwickelt. 14 Milliarden US-Dollar sollen in Wettkampfstätten und Infrastruktur investiert werden. Neue Linien der Metro sind geplant, beide Flughäfen und das Hafenviertel sollen ausgebaut werden. 80 Prozent des Geldes gehen jedoch in die reicheren Bezirke Rios. Deswegen sind die Spiele nach Ansicht von Thomas Fatheuer von der Heinrich Boell Stiftung ein zweischneidiges Schwert: „Die ärmeren Viertel gehen oft leer aus. Es wäre viel sinnvoller, das Geld für langfristige Maßnahmen zu verwenden, die nicht an die Olympischen Spiele gebunden sind.“ Das gilt auch für Umweltprojekte: Der Bau neuer Kläranlagen und die Einführung von Recyclingmethoden sind zwar geplant, doch geschehen sei bisher wenig, sagt Fatheuer.
Umweltprogramme helfen aus der Illegalität
Es gibt aber schon seit einigen Jahren Umweltschutzmaßnahmen. Die brasilianische Regierung hat 2000 ein Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz beschlossen. Stromversorger sind seitdem verpflichtet, ein halbes Prozent ihres Umsatzes in Projekte zur Energieeffizienz zu investieren. Die Hälfte davon soll ärmeren Bevölkerungsschichten zugute kommen, die oft wegen alter Geräte mehr als ein Viertel ihres Einkommens für Strom ausgeben. Neben Energiesparlampen werden seit einigen Jahren auch Kühlschränke verteilt. Diese verbrauchen nach Angaben der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) nur noch halb so viel Energie. Gleichzeitig werden die alten Kühlschränke klimafreundlich in speziellen Recyclinganlagen entsorgt.
Diese Programme nutzen auch der ärmeren Bevölkerung. Diese spart nicht nur Geld, sondern erhält auch oft eine Chance zum Aufstieg. Nach Angaben der GTZ wird der Austausch der Kühlgeräte oft von Menschen vorgenommen, die früher illegal Müll sammelten, den sogenannten „catadores“. Durch das Programm erhalten sie legale Arbeit - für die Menschen oft das Sprungbrett aus Schwarzarbeit und Kriminalität.
Eine dauerhafte Polizeipräsenz soll die Favelas befrieden
Trotzdem beherrschen nach wie vor Drogenbarone die Straßen und liefern sich Kämpfe mit Sicherheitsbeamten. Durch ein neues Sicherheitskonzept greift die Polizei teilweise mit ungewöhnlicher Härte in die Favelas ein. In einigen Vierteln sind Sicherheitskräfte seit 2009 dauerhaft präsent. Diese sogenannte „Polícia Pacificadora“ bringt erste Erfolge, die Kriminalitätsraten gehen zurück.
Rio de Janeiro Regierung plant bis zur Olympiade einhundert Favelas unter dauerhafte Bewachung zu stellen. Doch auch dieses Vorzeigeprojekt des Bürgermeisters Eduardo Paes ist nicht kritikfrei. Nach Ansicht Fatheuers hat sich in den besetzten Gebieten der Drogenhandel zwar nachweislich verringert, doch nur, weil die Drogenbanden in einen anderen Slum gedrängt werden. Das Problem werde nur verlagert, nicht gelöst.
Die Regierung bleibt zuversichtlich. "Es ist Zeit, das olympische Feuer in einem tropischen Land zu entzünden, in der schönsten und wundervollen Stadt, Rio de Janeiro", sagte Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inacio da Silva auf der IOC-Konferenz von Kopenhagen 2009. Doch, solange in den Straßen Rios die Gewalt regiert, ist die Stadt nur für diejenigen idyllisch, die es sich leisten können.