Mit neuen Visa gegen Versorgungsengpässe
25. September 2021Es soll nur eine Ausnahmeregelung sein, heißt es. Die britische Regierung will Medienberichten zufolge kurzfristig die Visa-Bestimmungen lockern und damit Tausende ausländische Lastwagenfahrer ins Land locken. Die scharfen Brexit-Visabestimmungen erschweren derzeit die Zuwanderung von Fachkräften, sodass die Logistikbranche stark unter Druck geraten ist.
Schlechte Schlagzeilen für Boris Johnson
In Großbritannien fehlen nach Schätzungen des Branchenverbands Road Haulage Association etwa 100.000 Lastwagenfahrer. Deshalb kam es vielerorts zu Engpässen und leeren Supermarktregalen. Die Energiekonzerne BP und Esso konnten wegen des Fahrermangels einige Tankstellen nicht mehr mit Kraftstoff versorgen. Es bildeten sich teilweise lange Schlangen. Es sind diese Bilder, die Johnson zum Umdenken geführt haben, wie es in den britischen Blättern heißt. "Boris hat die schlechten Schlagzeilen völlig satt und möchte, dass es gelöst wird, er schert sich nicht mehr um Visaregeln", zitierte die "Financial Times" einen "Verbündeten" Johnsons.
Das Büro des Premierministers bestätigte am Freitagabend, dass die Regierung "vorübergehende Maßnahmen" prüfe, "um unmittelbare Probleme zu vermeiden". Medienberichten zufolge wird mit 5000 befristeten Visaverträgen geplant. Ein solcher Schritt würde eine Abkehr von Johnsons restriktiver Einwanderungspolitik bedeuten. Der Premier hatte wiederholt betont, er wolle Großbritanniens Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften beenden.
Befristete Erleichterungen kaum attraktiv
Die Vizechefin der oppositionellen Labour-Partei, Angela Rayner, kritisierte in der BBC, die Regierung habe sich aufgrund ihrer fatalen Entscheidungen selbst in diese Position gebracht. Experten warnten zudem, dass ausländische Fachkräfte die geplante Regelung womöglich gar nicht attraktiv finden könnten. Denn sie müssten fürchten, nach wenigen Monaten das Land wieder verlassen zu müssen. Da auch in der EU zahlreiche Lastwagenfahrer gesucht werden, könnten die Spezialisten einen sicheren Job in der Staatengemeinschaft vorziehen.
Wirtschaftsvertreter zeigten sich dennoch vorsichtig erleichtert. Allerdings warnte der Industrieverband CBI die Regierung davor, zu glauben, dass die Krise mithilfe einiger Tausend ausländischer Fahrer gelöst sei, zumal zahlreiche Branchen über Fachkräftemangel klagen. "Wir haben keine ausgebildeten Metzger, wir haben keine ausgebildeten Schweißer, wir haben keine Köche, wir haben keine Elektroingenieure, daher herrscht in der gesamten Wirtschaft Arbeitskräftemangel», sagte CBI-Chef Tony Danker der BBC. Die Regierung fordert von den Unternehmen, mehr britische Arbeiter einzustellen und auszubilden sowie höhere Löhne zu zahlen.
fab/kle (afp, dpa)