Meeresoberflächen so heiß wie nie
4. August 2023Es sind auf den ersten Blick beunruhigende Nachrichten, die der EU-Klimawandeldienst Copernicus (englisch: Copernicus Climate Change Service - C3S) veröffentlicht: Am 31. Juli 2023 lag die durchschnittliche Temperatur der globalen Meeresoberflächen bei exakt 20,9648 Grad Celsius - und damit über dem bisherigen Rekord aus dem Jahr 2016. Allerdings ist es im Vergleich zu 2016 nur ein äußerst knapper Anstieg von ganz genau 0,0188 Grad. Damals lag der höchste Wert bei aufgerundet 20,95 Grad Celsius.
Ist der neue Temperaturrekord also nur viel Lärm um nichts? Leider nein, denn er passt zur allgemeinen Tendenz in diesem Jahr. Und die zeigt konsequent nach oben.
Die Weltmeere erwärmen sich immer stärker
Seit April verharrt die weltweite durchschnittliche tägliche Oberflächentemperatur der Ozeane (ohne die Polarregionen) auf Rekordwerten - sie ist schlicht deutlich zu warm für die jeweilige Zeit im Jahr. So hatten die täglichen marinen Durchschnittstemperaturen laut Analysen von Copernicus schon am 19. Juli bei aufgerundet 20,94 Grad Celsius gelegen.
Bei der Meerestemperatur rund zehn Meter unter der Oberfläche waren es im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 insgesamt 0,51 Grad mehr.
Rekordtemperaturen im Mittelmeer
Auch im Mittelmeer brachen die Wassertemperaturen in diesem Jahr bereits den Rekord. So teilten spanische Forscher Ende Juli mit, dass der Tagesmittelwert der Meeresoberflächentemperatur bei 28,71 Grad Celsius gelegen habe. Die Mittelmeerregion, die im Juli von Rekordtemperaturen heimgesucht wurde, gilt seit langem als ein Hotspot des Klimawandels.
"Temperaturen im Meer sind ein absoluter Masterschalter", so Thorsten Reusch, Biologe am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Kleinste Veränderungen könnten das globale Klimasystem durcheinanderwirbeln. "Was wir jetzt sehen, ist jenseits aller bisher aufgezeichneten Wassertemperaturen. Das ist auf jeden Fall bemerkenswert bis bedenklich."
Die hohen Oberflächentemperaturen der Ozeane fallen zudem mit der Entwicklung von El-Niño-Bedingungen zusammen, einer Periode mit überdurchschnittlich warmem Oberflächenwasser im tropischen Pazifik. Dieses natürlich vorkommende Klimamuster, das von der die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) am 4. Juli ausgerufen wurde, führt in vielen Regionen und im Ozean zu einer höheren Wahrscheinlichkeit extremer Hitze.
Hitzewelle der höchsten Kategorie im Nordatlantik
Hinzu kommen weiterhin Rekordtemperaturen des Oberflächenwassers im Nordatlantik. Im Juni meldete Copernicus im gesamten Nordatlantik mit durchschnittlich 0,91°C die höchsten Aufzeichnungen für diesen Zeitraum.
Und laut Daten der US-Ozeanografie- und Wetterbehörde NOAA erreichte die Meeresoberfläche im Nordatlantik nach vorläufigen Messungen mit 24,9 Grad in der letzten Juliwoche dieses Jahres sogar die höchste Temperatur aller Zeiten. NOAA-Wissenschaftler Xungang Yin sagte der Nachrichtenagentur AFP, man erwarte, dass die Meeresoberflächentemperatur "im August weiter ansteigt". Normalerweise erreicht der Nordatlantik nach Angaben der Behörde seine Höchsttemperatur Anfang September.
Bereits im Juni habe sich der Nordatlantik in einer marinen Hitzewelle der höchsten Kategorie befunden, erklärte damals Samantha Burgess vom Copernicus-Klimawandeldienst im Gespräch mit der DW. Man gehe davon aus, dass es deswegen zu weiteren großen Fischsterben komme werde. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich im Nordatlantik verstärkt Stürme bildeten.
"Bislang haben die Ozeane 90 Prozent der gestiegenen Treibhausgase aufgenommen - sie wirken also wie ein Schwamm. Aber ob das noch so sein wird oder was ansonsten passiert, wenn sie immer heißer werden, das wissen wir schlicht nicht", so Burgess zur DW.
"Diese Situation ist extrem. Wir haben schon früher marine Hitzewellen erlebt, aber diese ist sehr anhaltend und über eine große Fläche verteilt" im Nordatlantik, sagte auch Karina von Schuckmann vom Forschungszentrum Mercator Ocean International der AFP.
2023: wärmster Juli aller Zeiten
Generell war der diesjährige Juli von Extremen und Rekorden begleitet. Nach Angaben von Copernicus war er der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die globale Durchschnittstemperatur über Land lag im Juli bei 16,95 Grad Celsius, damit schätzungsweise rund 1,5 °C wärmer als der Durchschnitt der Jahre 1850-1900 und um 0,72 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. Bei der Meerestemperatur rund zehn Meter unter der Oberfläche waren es 0,51 Grad mehr.
"Wir haben gerade erlebt, wie die globalen Luft- und Meeresoberflächentemperaturen im Juli neue Rekordwerte erreicht haben - es ist seit mindestens 120.000 Jahren nicht so warm gewesen, so Burgess. "Diese Rekorde haben schwerwiegende Folgen für die Menschen und den Planeten, der immer häufigeren und intensiveren Extremereignissen ausgesetzt ist."
Auch der Blick auf die Durchschnittstemperatur von Januar bis Juli zeigt: 2023 erreicht mit 0,43 °C nach 2016 (0,49 °C) und 2020 (0,48 °C ) die dritthöchsten Werte gegenüber dem Referenzzeitraum 1991-2020. Die Wissenschaft geht davon aus, dass der Abstand dass sich der Abstand zwischen 2023 und 2016 in den kommenden Monaten verringert, da die letzten Monate des Jahres 2016 relativ kühl waren. Durch die aktuelle El-Niño-Phase wird Rest des Jahres 2023 dagegen voraussichtlich relativ warm sein.
Rekordhitze als "Vorgeschmack auf die Zukunft"
Insbesondere Teile von Europa, wo die Temperaturen mit einem Plus von 2,2 Grad Celsius zum vorindustriellen Zeitalter fast doppelt so schnell steigen wie im globalen Durchschnitt (1,2 °C), aber auch Asien und Nordamerika waren in diesem Jahr bereits von Hitzewellen und verheerenden Waldbränden betroffen. Die sei ein Vorgeschmack auf die Zukunft des Klimas auf der Welt, warnten die WMO und das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus.
Wetterextreme wie Hitzewellen nehmen laut Wissenschaft zufolge als Folge des globalen Klimawandels an Intensität und Häufigkeit zu. Die Erde hat sich seit Beginn des industriellen Zeitalters bereits um etwa 1,2 Grad erwärmt. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nach jetzigem Stand steuert die Erde aber auf eine gefährliche Erwärmung von etwa vier Grad zu. "Die menschengemachten Emissionen sind letztlich die Hauptursache für diesen Temperaturanstieg", so Carlo Buontempo, Direktor der C3S.
Redaktion: Elke Opielka
Dieser Artikel erschien erstmals am 4. August 2023 und wurde am 8. August 2023 mit neuen Informationen aktualisiert.