Mittelständler schätzen indische Partner
16. August 2014Das internationale Warengeschäft ist nicht allein die Domäne von Großkonzernen: Auch kleine und mittlere Unternehmen entwickeln Produkte und vermitteln Geschäfte zwischen den Kontinenten. So wie die "India Europe Al" mit Sitz in Bochum und einer Niederlassung im indischen Bangalore. Das Unternehmen hat sich auf den Metallbereich spezialisiert. Denn gerade in dieser Branche, sagt Firmengründer Michael Wiemann, finden europäische Unternehmen in Indien gesuchtes Know-How zu wirtschaftlich interessanten Konditionen. Im Gegenzug sichern Entwicklungs- und Fertigungsaufträge Arbeitsplätze bei mittelständischen Unternehmen in Indien.
Seit 2009 vermittelt die "India Europe Al" Aufträge aus Europa an mittelständische Unternehmen in der indischen Metallindustrie. Über 25 Jahre hat Firmengründer Michael Wiemann vorher für europäische Unternehmen gearbeitet und war dabei unter anderem auch für den Bereich Asien zuständig. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung kennt er die indischen Unternehmen vor Ort und deren Fertigungsqualität u.a. bei Aluminiumlegierungen, Edelstahl und Messingteilen.
Kunden nicht nur aus Deutschland
Inzwischen bestehen Verträge mit rund 95 mittelständischen indischen Unternehmen. Das kleinste davon beschäftigt 25 Mitarbeiter. "Bei anderen Vertragsunternehmen", sagt Wiemann, "haben wir bis zu 650 Mitarbeiter." Ausschlaggebend ist in jedem Fall die Fertigungsqualität.
Diese Unternehmen fertigen nach den Vorgaben ihrer europäischen Kunden Guss-, Dreh-, Stanz- und Schmiedeteile für unterschiedliche Einsatzzwecke. Über 50 Prozent der in Indien gefertigten Zulieferteile entfallen auf Produkte für die Automobilindustrie. Hinzu kommen rund 25 Prozent Anteile für den allgemeinen und speziellen Maschinenbau wie der Antriebstechnik. Die Produktpalette umfasst außerdem den Sanitärbereich und die Sicherheitstechnik.
Erst nach einer Qualitätsprüfung bei den Auftraggebern läuft die Serienfertigung in Indien an. Die Kunden kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, England und Italien. Der Auftragsumfang hängt auch von der jeweiligen Branche ab. Bei größeren Gussteilen etwa für den Maschinenbau beginnen die Bestellungen bei tausend Stück aufwärts. Bei Teilen für die Automobilindustrie geht es nach den Worten Wiemanns "um bis zu sechs, sieben Millionen Stück pro Jahr, die Containerweise nach Europa geschickt werden." Das Volumen der Aufträge pendelt zwischen 500.000 und 2,5 Millionen Euro.
Guter Ruf und sichere Preise
Bei "India Europe Al" setzt man aber nicht nur auf einen einseitigen Warenfluss. So werde man auch von mittelständischen indischen Unternehmen mit der Suche nach europäischen Partnern in der Metallindustrie beauftragt, die Interesse an einem Joint Venture haben. Oder auch an der Gründung eines unternehmerischen Zusammenschlusses für den indischen Markt. Dass indische Unternehmen gerade im Bereich der Metallindustrie einen guten Ruf besitzen, das bestätigt auch der Auslandsexperte der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet Hans-Peter Merz.
Indien, sagt Merz, verfügt inzwischen über eine durchaus interessante Industrie. "Man kann insbesondere im Bereich der Gussteile, Drehteile, Maschinenbauteile in Indien hervorragend fertigen lassen." Für manches deutsches Unternehmen, hat Merz festgestellt, wird Indien auch unter einem anderen Aspekt immer interessanter. "Gerade größere Unternehmen und ebenso größere Mittelständler gehen zunehmend dazu über, in Indien direkt selbstständig aktiv zu werden." Etwa in Form eines Joint Ventures oder der Übernahme eines bestehenden Unternehmens vor Ort. Immer häufiger aber auch durch den Aufbau einer eigenen Firma, um Vormaterialien in Eigenregie zu fertigen.
Ebenso wie dem IHK-Experten kommt es auch Michael Wiemann bei Kooperationen mit indischen Unternehmen entscheidend darauf an, dass bei der Produktion Umweltschutz- und Sozialstandards eingehalten werden. Darauf achten, wie Michael Wiemann betont, vor Ort strikt seine indischen Firmenpartner in der Niederlassung in Bangalore. Und was die Konkurrenz zum bislang als übermächtig eingeschätzten Produktionsstandort China anlangt, so hat Wiemann zum einen die gelieferte Qualität und Vertragstreue der indischen Zulieferer zu schätzen gelernt. Zum anderen zählt für ihn die Preissicherheit. Und die, sieht er sich auch durch Erfahrungen anderer Unternehmen bestätigt, "ist besser als die, die wir von China kennen. In Indien haben wir meist Verträge gestaltet, die zwei, drei Jahre ohne jegliche Preiserhöhung laufen."
Angesichts eines derzeit schwachen Binnenmarktes sorgen Aufträge aus Deutschland und anderen europäischen Ländern für eine ausreichende Beschäftigung mittelständischer Unternehmen in Indien. Das wiederum rechnet sich bei den Produktionskosten für deutsche Unternehmen.