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Großer Geschichtenerzähler

Matthias von Hein10. Dezember 2012

Am Montag (10.12.2012) hat der chinesische Schriftsteller Mo Yan den Literaturnobelpreis entgegen genommen. Zurecht oder nicht zurecht? Die Meinungen zu Mo Yan und seinem Werk gehen weit auseinander.

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Literaturnobelpreisträger Mo Yan auf der Buchmesse in Shanghai im August 2012 (Foto: dpa)
Buchmesse ShanghaiBild: picture-alliance/dpa

Mo Yan wurde mit einem anderen Namen geboren: Guan Moye. Schon da beginnt das Schillernde am diesjährigen Literaturnobelpreisträger. Mo Yan ist der Künstlername des 1955 in der ostchinesischen Provinz Shandong geborenen Erfolgsschriftstellers. Übersetzen lässt er sich am besten mit "Keine Worte" oder "Schweigen".

Gerade Mo Yan gilt aber als wortgewaltiger Schaffer eindrucksvoller sprachlicher Bilder. Die Frankfurter Sinologin Dorothea Wippermann kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn sie von Mo Yans Büchern spricht: "Man liest die Texte wie ein Feuerwerk von kreativen sprachlichen Ideen. Sie haben aber dabei ihre Bodenständigkeit behalten." Das klingt fast wie die Begründung der Nobelpreis-Jury. Der Schriftsteller "vereint mit halluzinatorischem Realismus Volksmärchen, Geschichte und Gegenwart", heißt es da.

Geprägt von der Kulturrevolution

Mo Yan ist, da sind sich Befürworter und Kritiker einig, ein großer Geschichtenerzähler. Seine Stoffe sind inspiriert von den Erzählungen seiner dörflichen Heimat. Mo Yan wuchs als Sohn von Bauern auf. Die ärmlichen Verhältnisse und das harte Leben der Menschen in seiner Heimat hinterließen einen tiefen Eindruck. Die Schule musste Mo Yan nach der fünften Klasse abbrechen - wegen der Kulturrevolution. Mit 20 trat er in die Armee ein. Dort begann er auch zu schreiben. Er studierte sogar an der Kunsthochschule der Volksbefreiungsarmee.

Der schon lange in Peking lebende Mo Yan ist nicht nur Mitglied in Chinas Kommunistischer Partei, sondern auch stellvertretender Vorsitzender des chinesischen Schriftstellerverbands. In dieser Funktion vertritt er auch die offiziellen Richtlinien der Regierung, wonach Kunst und Literatur dem sozialistischen Zweck dienen müssen und nicht der Kommunistischen Partei zuwiderlaufen dürfen.

Autor und Parteimitglied

In Deutschland trat Mo Yan zuletzt 2009 in offizieller Funktion auf, als Mitglied der Delegation des Gastlandes China bei der Frankfurter Buchmesse. Als damals die chinesische Delegation aus Protest demonstrativ ein Symposium verließ, weil auch chinesische Dissidenten daran teilnahmen, marschierte auch Mo Yan mit hinaus. Unter chinesischen Intellektuellen stieß er damit auf Kritik. Mo rechtfertigte sich mit den besonderen Zwängen, die bis heute in China herrschten. Außerdem zahle das Pekinger Kulturministerum schließlich auch seine Sozial- und Krankenversicherung.

Der Bonner Sinologe Wolfgang Kubin (Foto: Robert B. Fishman, ecomedia)
Der Bonner Sinologe Wolfgang Kubin sieht Mo Yans Werk kritischBild: picture-alliance/Robert B.Fishman/ecomedia

Der Bonner Sinologe Wolfgang Kubin ist Autor der "Geschichte der chinesischen Literatur des 20. Jahrhunderts" und kennt das Werk Mo Yans genau. "Wenn Sie das 'Rote Kornfeld' lesen, da treten Personen auf, die die KP Chinas in den höchsten Tönen loben. Das ist außerordentlich peinlich", kritisiert Kubin den bekanntesten Roman Mo Yans im Gespräch mit DW.DE. "Das rote Kornfeld" wurde in Deutschland vor allem durch die Verfilmung von Zhang Yimou berühmt. Der Film wurde 1988 bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Der internationale Erfolg Mo Yans hat für Kubin vor allem mit der Arbeit seines Übersetzers Howard Goldblatt zu tun. Dessen Übersetzungen seien besser als das chinesische Original, so Kubin.

Diktat des Marktes

Vor allem aber wirft Kubin dem Literaturnobelpreisträger vor, aus kommerziellen Gründen auf den Massengeschmack zu schielen und deshalb keine wirklich moderne Literatur zu schaffen. "Das Hauptproblem bei Mo Yan ist: Er war Avantgardist in den 1980er Jahren. Und als solchen habe ich ihn in meinen Zeitschriften und Schriften in den 80er Jahren auch vorgestellt. Damit konnte man aber nichts gewinnen. Und seitdem der Markt absolut herrscht in China, hat man sich besonnen auf das eine: Was kann man verkaufen in China und was kann man verkaufen im Westen?"

Dorothea Wippermann jedoch empfindet die Texte Mo Yans durchaus als brisant. "Weil er die chinesischen Verhältnisse darstellt mit ihren Grausamkeiten, ihrer Unmenschlichkeit. Es werden dort viele Missstände dargestellt und viele Opferverhältnisse", so die Frankfurter Professorin.

In seinem jüngsten Roman "Frosch" von 2009 setzt Mo Yan sich mit Chinas umstrittener Ein-Kind-Politik auseinander. Der Beschreiber des Schicksals einfacher Menschen passt mit seinem Werk schwer in politische Schubladen.