Mit dem Handy aus der Armut
14. Juli 2010
"Mobilfunk ist der schnellste Weg aus der Armut", sagt Nobelpreisträger Mohammad Yunus aus Bangladesch. Der Zugang zu Handys erhöht den Lebensstandard vieler Landbewohner – und er trägt zur Wirtschaftsentwicklung ihres Landes bei. Lange Zeit habe der Mythos geherrscht, die meisten armen Menschen auf der Welt hätten noch nie ein Telefongespräch geführt, ja noch nicht einmal ein Telefon gesehen, sagt Helani Galpaya von Lirne Asia, einem Forschungsinstitut auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien in Südasien. Das Forschungsinstitut hat festgestellt, dass 92 Prozent der Armen in Indien bereits ein Telefon benutzten. In Bangladesch habe heute durchschnittlich knapp jeder Dritte Zugang zu einem Handy. In Indien sei der Durchschnittswert ähnlich. In Pakistan telefoniere bereits jeder Zweite mobil, in Sri Lanka sei die Zahl noch höher.
Als "Phone-Lady" aus der Armut
Der Mobilfunkboom hat das Leben auf dem Land verändert: er hat einfache Dorfbewohner in Kleinunternehmer verwandelt. Eines der berühmtesten Beispiele für diese Entwicklung ist das Village Phone Programm in Bangladesch. Durchgeführt wurde es von Grameenphone, einer Schwesterorganisation der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Grameen-Bank.
Das Programm begann vor zehn Jahren damit, Kleinkredite für Handys an Frauen auszugeben. Das hat ihnen ermöglicht, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Mit den Handys gehen die "Phone Ladies" genannten Frauen durch die Dörfer und verkaufen Telefonminuten. Es gebe also ganz klar die Möglichkeit, durch Mobiltelefone Menschen aus der Armut zu befreien, sagt Helani Galpaya. Rund 216.000 solcher "Phone Ladies" gibt es heute in Bangladesch. Aufgrund seines Erfolges wurde das Programm von den Nachbarländern übernommen.
Das Handy - Erfolgsgarant für alle
Grameenphone hat in Bangladesch ein eigenes landesweites Mobilfunknetz aufgebaut, das inzwischen 44 Millionen Nutzer miteinander verbindet. Das Handy hat die Menschen vernetzt, es hat ihnen Jobs verschafft und ihren Lebensstandard erhöht. Laut Syed Yamin Bakht, Pressesprecher von Grameenphone, hilft das Handy den Kleinhändlern bei ihren Handelsgeschäften, den Bauern hilft es dabei, sich über Marktpreise zu informieren, und den Geschäftsleuten ermöglicht es, die Leistung ihrer Unternehmensfelder zu verbessern.
Eine Studie der Londoner Business School hat den Zusammenhang zwischen Handynutzung und Wirtschaftsentwicklung belegt: Steigt die Zahl der Mobilfunkverträge um zehn Prozentt, erhöht sich das Wachstumstempo einer Volkswirtschaft in Entwicklungsländern um 0,6 Prozent, haben die Forscher herausgefunden.
Grameenphone erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 600 Millionen Dollar. Allerdings wurde auch viel investiert, betont Syed Yamin Bakht: In den vergangenen zehn Jahren steckte das Joint Venture von Grameen-Bank und der norwegischen Telefongesellschaft Telenor rund 1,3 Milliarden Dollar in den Ausbau von Netz und Markt. Von Umsatz und Investitionen profitierten letztlich auch Staat und Gesellschaft Bangladeschs, so der Unternehmenssprecher.
Mit Mobiltelefonen gegen die digitale Kluft
In den vergangenen Jahren sind die Telefontarife und Handypreise gesunken und damit für viel mehr Menschen erschwinglich geworden. Mobiltelefone verhindern, dass eine digitale Kluft zwischen Arm und Reich entsteht, sagt Yamin. Denn sie ermöglichen den Armen einen Anschluss an die moderne Informationstechnologie.
Er geht davon aus, dass in Zukunft mehr Menschen durch Mobiltelefone den Zugang zum Internet erhalten, und zwar mehr als durch jedes andere Medium. Der Grund dafür sei, dass die Menschen ein Mobiltelefon nötiger bräuchten als einen Computer. Da sich zudem viele Menschen keinen Computer leisten könnten, so Yamin, würden sie daher ein Handy wählen und damit auch auf das Internet zugreifen.
So ausgerüstet, werden auch die Menschen auf dem Land stärker an der Wirtschaftsentwicklung ihres Landes teilhaben, prognostizieren Experten. Sie fordern, dass die Regierungen Südasiens ihre Mobilfunkmärkte weiter liberalisieren und für alle Bevölkerungsschichten zugänglich machen.
Autorin: Ana Lehmann
Redaktion: Rolf Wenkel