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Politik

Moldau: Für eine Handvoll Euro

Vitalie Călugăreanu | Robert Schwartz
13. Oktober 2022

Seit Wochen protestieren Menschen immer wieder in der moldauischen Hauptstadt Chisinau gegen die pro-europäische Regierung. Die Demonstranten geben offen zu, Geld bekommen zu haben, um auf die Straße zu gehen.

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Moldau Chisinau Shor Opposition Protest
Proteste gegen die pro-europäische Regierung in der Hauptstadt ChisinauBild: Veniamin Demidetsky/IMAGO

Seit gut einem Monat organisiert eine pro-russische Gruppierung Proteste gegen die moldauische Regierung. Die Demonstranten fordern die Absetzung der pro-europäischen Staatspräsidentin Maia Sandu und geben dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenskij die Schuld am Krieg in seinem Land. Zudem rechtfertigen sie das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und kritisieren das Nachbarland Rumänien, die EU und die USA wegen der Unterstützung für die Ukraine. Die Teilnehmer an den Protestaktionen werden mit Bussen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt gebracht und sollen nach eigenen Angaben umgerechnet 20 Euro pro Tag und 80 Euro pro Nacht erhalten. Moldauische Investigativjournalisten haben Dutzende Videos gepostet, in denen Demonstranten zum Teil in angetrunkenem Zustand offen über die Summen sprechen, die sie erhalten hätten.

Republik Moldau Demonstranten in Chisinau
Viele Demonstranten gaben zu, Geld erhalten zu habenBild: Viorica Tătaru

Die Organisatoren der Proteste werfen der moldauischen Präsidentin vor, sie weigere sich, nach Moskau zu reisen und sich Putin erkenntlich zu zeigen, um billiges russisches Gas für ihr Land zu bekommen. Die Republik Moldau ist fast vollständig von den russischen Gaslieferungen abhängig. Russland profitiert von dieser Abhängigkeit und verlangt einen viermal höheren Preis als vor dem Ausbruch des Krieges am 24.02.2022. Vor diesem Hintergrund ist die Inflation in der Moldau um 35 Prozent gestiegen. Mehr noch: Es besteht das Risiko, dass der russische Energieriese Gazprom die Lieferungen im bevorstehenden Winter völlig einstellt.

"Gruppierung für Raub und Krieg"

Die moldauische Präsidentin hat in einer Pressekonferenz am 11.10.2022 die Machenschaften der Initiatoren heftig kritisiert. Eine "Gruppierung für Raub und Krieg" hätte sich vorgenommen, die Lage in ihrem Land im Interesse Moskaus zu destabilisieren. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Hinter den Organisatoren soll die Oppositionspartei "Shor" stehen, die nach ihrem Parteiführer Ilan Shor benannt wird. Dieser setzte sich 2019, kurz vor Zusammenbruch des Oligarchen-Regimes unter Wladimir Plahotniuc, ins Ausland ab. Auch Plahotniuc konnte ins Ausland fliehen, bevor die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn in einer Reihe von Bankenskandalen begann. Die beiden Oligarchen sollen von 2016 bis 2019 im Tandem gearbeitet und das Land um mehrere hundert Millionen geprellt haben. Durch Korruption und Bestechung hatte sich Plahotniuc eine Mehrheit im Parlament, die Regierung und die Justiz untergeordnet. Die meisten seiner Handlanger leben inzwischen im Ausland, überwiegend in London. Er selbst soll sich in der Türkei aufhalten, einem Land, mit dem die Moldau kein Auslieferungsabkommen hat. Auch Ilan Shor kann nicht ausgeliefert werden, er lebt in Israel und hat die israelische Staatsbürgerschaft.

Präsident Maia Sandu
Die pro-europäische Präsidentin Maia Sandu beschuldigt die Initiatoren der Proteste des LandesverratsBild: Dursun Aydemir/AA/picture alliance

Bei den jüngsten Protesten in Chisinau zeigte sich Shor auf einer großen Videotafel. In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti erklärte er, die Moldau könne nur an der Seite Russlands "glücklich und erfolgreich" sein. Shor ist in der Republik Moldau zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen Bankbetrugs verurteilt. Jetzt beschuldigen die moldauischen Behörden ihn und weitere Flüchtige, gemeinsam TV-Sender und Online-Portale in der Republik Moldau erworben zu haben und "geopolitische Beziehungen" zum Kreml zu pflegen. Zusammen mit Russland sollen sie das Ziel haben, die verfassungsmäßige Ordnung in der Republik Moldau zu stürzen.

Infografik Karte Republik Moldau DE

"Die Versuche zur Destabilisierung, die wir in letzter Zeit sehen, sind das Werk einer Gruppierung für Raub und Krieg, die Angst vor dem Gefängnis hat und bereit ist, das Land in Brand zu setzen, um die eigene Haut zu retten", erklärte Präsidentin Sandu auf der Pressekonferenz. Diese Personen hätten Moskau versprochen, die pro-europäische Führung des Landes abzusetzen und eine neue zu etablieren, die es Russland ermögliche, die Republik Moldau in den Krieg zu verwickeln, sagte sie und fügte hinzu: "Macht euch keine Illusionen! Ihr werdet es nicht schaffen! Landesverrat wir hart bestraft werden!"

Riesige Herausforderungen für ein kleines Land

Vor dem Hintergrund der Proteste, aber auch der wachsenden Bedrohung durch russische Raketen, die den Luftraum der Republik Moldau am 10.10.2022 verletzten, ist auch die Debatte um den Neutralitätsstatus des Landes neu entbrannt. "Wenn über unser Land todbringende Raketen fliegen, sind wir dazu verpflichtet, unseren Luftraum zu schützen - allein oder mit Hilfe unserer Freunde und Nachbarn", sagte der moldauische Parlamentspräsident Igor Grosu im DW-Gespräch. Es reiche nicht, sich als neutraler Staat zu bezeichnen: "Die Neutralität muss verteidigt werden!"

Republik Moldau | Igor Grosu
Der moldauische Parlamentspräsident Igor Grosu: "Die Neutralität muss verteidigt werden!"Bild: Simion Ciochina/DW

Dass die EU und vor allem das Nachbarland Rumänien, aber auch Deutschland die Lage ernst nehmen, wurde bereits Anfang des Monats deutlich sichtbar. Am 1.10.2022 versprach die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einem Besuch in Chisinau, der Republik Moldau bei der Modernisierung der Armee behilflich zu sein. Auch Bukarest und Brüssel haben Unterstützung zugesagt.

Das Gleiche gilt für den Energiesektor. Ab 14.10.2022 will Rumänien elektrischen Strom in die Moldau liefern, nachdem die Ukraine wegen der Zerstörungen durch den heftigen russischen Beschuss der Infrastruktur die Lieferung gestoppt hat. Außerdem hat Bukarest eine Finanzhilfe in Höhe von 10 Millionen Euro beschlossen. Mit dem Geld sollen Vorbereitungen für den herannahenden Winter getroffen werden. Auch die EU will ihre Hilfe aufstocken. "Wir erwägen mehrere Optionen für die Republik Moldau, um die Energiekrise zu bewältigen", sagte Energiekommissarin Kadri Simson am 12.10.2022 bei einem Treffen mit den EU-Energieministern in Prag. Die EU sei bereit, die Republik Moldau im kommenden Winter und darüber hinaus verstärkt zu unterstützen.