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Literatur

Monika Maron: "Animal Triste" 

Aygül Cizmecioglu spe
7. Oktober 2018

Was heißt es, noch zu begehren und begehrt zu werden, wenn man älter wird? Monika Maron seziert eine Liebe, die im Schatten eines Dinosaurierskeletts beginnt. 

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Schriftstellerin Monika Maron
Bild: picture alliance/dpa/K-D. Gabbert

"Ich weiß noch nicht einmal, ob Liebe einbricht oder ausbricht. Manchmal glaube ich, sie bricht in uns ein wie ein anderes Wesen, das uns monatelang, sogar jahrelang umlauert, bis wir irgendwann, von Erinnerungen oder Träumen heimgesucht, sehnsüchtig unsere Poren öffnen, durch die es in Sekunden eindringt und sich mit allem mischt, was unsere Haut umschließt."

Die Reflexion einer leidenden Frau über die Leidenschaft der Liebe: Bei einer Autorin mit weniger Fingerspitzengefühl könnte ein solches Sujet schnell in Kitsch und Klischees verkommen. Nicht so bei Monika Maron. Sie seziert mit Worten, mehr, als dass sie beschreibt – Gefühle, Umstände, all das, was nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Ihre Texte zerlegen es in Einzelteile, breiten sie zur Lektüre aus – und die Dinge werden klar, treten deutlich hervor, durch die Kraft der Literatur gebannt. 

"Animal Triste" von Monika Maron

Im Schatten des Dinosauriers

Empfindungen aufzufächern, das gelingt der Autorin auch in "Animal Triste". Es ist um das Jahr 1990. Die Ich-Erzählerin, eine Ostberliner Paläontologin, arbeitet in einem Naturkundemuseum. Ihre Faszination gilt dem Brachiosaurus. Im Schatten seines Skeletts bahnt sich die Liebe mit Franz an, einem verheirateten Ameisenforscher. Sie habe ihn, versichert sie, weder erwartet noch gesucht. Gesucht hat sie trotzdem, insgeheim, denn  die große Leidenschaft. die möchte sie um jeden Preis noch einmal erleben,  

Franz wird zur Projektionsfläche für diesen überwältigenden Traum. Während sich die liebende Frau immer weiter in die Beziehung hineinsteigert, genießt jener die Liäson mit ihr, ohne jedoch daran zu denken, seine Ehe zu verlassen. Die Düfte der Liebestreffen im Auto überdeckt der Rauchgeruch von Pfeifentabak, damit die Gattin nichts von der Untreue mitbekommt. 

Monika Maron lässt diese zwei gegensätzlichen Arten, Liebe zu leben, kollidieren - mit der Gewalt zweier aufeinander zurasender Hochgeschwindigkeitszüge. Die Katastrophe ist unvermeidlich. Liebe wird zur naturhaften, verzehrenden Kraft. 

Dino Versteigerung am Eiffelturm Aufnahme aus dem Aguttes Auktionshaus
Ein Dinosaurierskelett wird zur romantischen KulisseBild: Getty Images/AFP/J. P. Ksiazek

Liebe als Naturgewalt

Monika Marons Biografie und ihre literarische Laufbahn sind geprägt vom Mut, die Dinge beim Namen zu nennen – auch auf die Gefahr hin, im Gegenwind zu stehen. In ihrem Debütroman "Flugasche" von 1981 kritisierte die damalige DDR-Journalistin schon die Umweltsünden der ostdeutschen Planwirtschaft. Was für ein Affront - vor allem wenn man bedachte, dass hier die Stieftochter eines hohen DDR-Parteifunktionärs schrieb. 

Ähnliche rückhaltlos beschreibt sie ihre Figuren und deren Liebesgefühle auch in "Animal Triste". Kritisch und kühl nimmt sie etwa den alternden Frauenkörper unter die literarische Lupe. Nichts bleibt Illusion, es gibt keinen keine Raum für metaphorische Schönfärberei der Vergänglichkeit. 

"Wer so aussah, konnte noch lieben, aber nicht mehr geliebt werden."

Einige Kritiker warfen Monika Maron vor, mit dieser Liebesgeschichte ihr politisches Profil verraten zu haben. Ihr Roman sei eskapistisch. Doch die Folie, vor der sich diese Liebesgeschichte abspielt, ist das wiedervereinigte Deutschland. Setzt man die einzelnen Erzählbausteine dieses Romans wie ein Mosaik zusammen, ergibt sich ein verblüffend anschauliches Bild Berlins nach der Wende. 


Monika Maron: "Animal Triste" (1996), Fischer Verlag

Monika Maron wurde 1941 in Berlin geboren, wuchs in der DDR auf und übersiedelte 1988 in die Bundesrepublik. Ihr Debütroman "Flugasche" durfte im Osten nicht erscheinen, wurde jedoch 1981 in Westdeutsschland veröffentlicht. Darin thematisierte Maron am Beispiel Bitterfeld erstmals die massiven Umweltprobleme der DDR. 2009  befasste sich die Schriftstellerin erneut mit der Region - ihr Bericht "Bitterfelder Bogen" handelt vom Aufstieg der Solarindustrie. Insgesamt hat Monika Maron über zehn Romane - zuletzt 2018 "Munin oder Chaos im Kopf" sowie Erzählungen und Essays veröffentlicht. Für ihr Werk erhielt sie unter anderem den Kleist-Preis sowie den Deutschen Nationalpreis.