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Geheimdienst gegen NGO

29. Juli 2010

Der montenegrinische Geheimdienst hat zugegeben, dass er Daten über die Leitung der größten Nicht-Regierungsorganisation des Landes sammelt. Menschenrechtler fürchten nun um die Freiheit der Zivilgesellschaft.

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Symbolbild: Mann mit Kopfhörern und Abhörmikro (Foto: dpa/Bildfunk)
Lauschangriff gegen Menschenrechtler?Bild: dpa - Bildfunk

Nachdem das "Netzwerk zur Stärkung des Nicht-Regierungssektors" (MANS) von der Überprüfung durch die Nationale Sicherheitsagentur (ANB), Montenegros Geheimpolizei, erfuhr, forderte es umgehend Akteneinsicht. Die ANB lehnte dies indes ab mit der Begründung "die Veröffentlichung könnte bestimmte Aktivitäten im Zuständigkeitsgebiet der Agentur gefährden."

Die Leiterin von MANS, Vanja Calovic, bezeichnete diese Begründung als skandalöse Ausrede. Zudem fordert sie eine Erklärung des Geheimdienstes, wodurch sie und vier ihrer Mitarbeiter die Sicherheit des Staates und die Interessen der Bürger gefährden sollen. Sie forderten die ANB zudem auf, zu veröffentlichen, wer die Agentur angewiesen hatte, Daten über die Leitungsebene von MANS einzuholen.

Calovic zufolge ist es interessant, dass eine NGO überprüft wird, ein landesweit bekannter mutmaßlicher Drogenboss wie Darko Saric aber nicht ins Visier der Ermittler gerät. So habe es der Dienst abgelehnt, Saric zu beschatten, der im Frühjahr aus Montenegro fliehen konnte. Er wird beschuldigt, den aufgeflogenen Schmuggel von 2,4 Tonnen Kokain von Südamerika nach Europa organisiert zu haben.

"Ich glaube, dass in diesem Land diejenigen, die sich mit organisierter Kriminalität befassen eher geschützt sind als diejenigen, die sie bekämpfen. Ich verstehe dies als Botschaft der ANB, dass wir uns nicht mehr mit unserem Anliegen beschäftigen sollen", der Öffentlichkeit den Zugang zu Informationen über die Arbeit staatlichen Behörden auf allen Ebenen zu erleichtern, meint Calovic. Sie fasst daher das Vorgehen der ANB als Drohung auf.

Gefährliche Aufklärer?

Porträt von Vanja Calovic (Foto: DW)
Vanja Calovic ist wegen ihres Engagements beliebt bei den MontenegrinernBild: M. Canka

MANS ist die bekannteste NGO in Montenegro und die Leiterin Vanja Calvovic eine der beliebtesten öffentlichen Persönlichkeiten im Lande. Diese NGO kritisiert bereits seit Jahren die Behörden. Durch ihr Engagement konnten zahlreiche Korruptionsaffären, Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung, Stadtplanung und Interessenkonflikte aufgedeckt werden.

So fand MANS heraus, dass Montenegros ehemaliger Vize-Premier Svetozar Marovic in einen Bauskandal verwickelt war. Es handelt sich um den gescheiterten Bau einer Villenanlage auf der Halbinsel Zavala.

Eigentlich ein Naturschutzgebiet, auf der die russische Mirax-Gruppe mit dem Bau einer Mega-Anlage begonnen hatte. Der russischen Firma ging jedoch das Geld aus. Dafür wurden aber die Pinienwälder auf der Halbinsel abgerodet. Nun stehen die Arbeiten still und die Anlage verfällt. Die montenegrinische Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall bereits seit zwei Jahren, konkrete Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor.

Pikant an dem Bespitzelungsfall ist auch, dass die Menschenrechtler sich monatelang bemüht hatten, Informationen über die Teilnahme eines führenden Geheimdienstbeamten an einer Feier mit zahlreichen Großkriminellen aufzuklären. Dadurch steht der Verdacht im Raum, der Geheimdienst habe beste Verbindungen zur organisierten Kriminalität.

Gegenmaßnahmen

Parlamentsgebäude in Podgorica, Montenegro (Foto: DW)
Debatte im Parlament gefordertBild: DW

Der standhafte und konstante Kampf dieser NGO gegen Korruption und organisierte Kriminalität hat MANS hohes Ansehen in europäischen Kreisen eingebracht. Die ausländischen Diplomaten, mit denen sie in Kontakt standen, werden Calovic zufolge nun über diesen Vorfall informiert und um Unterstützung gebeten.

"Allein schon, um sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass auch sie von der ANB abgehört oder verfolgt sein konnten, weil sie Kontakt zu uns hatten", so Calovic. Die Mitglieder des parlamentarischen Sicherheitsausschusses seien bereits informiert.

Desweiteren würden MANS eine Parlamentsdebatte fordern, "um festzustellen, ob es eine Grundlage für diese Überwachung gibt, ob wir wirklich ausländische Spione sind, die gegen diesen Staat arbeiten oder ob ANB nicht seine Macht missbraucht", sagt Calovic. Die Mitglieder des Ausschusses von der Opposition haben zusagt, die Initiative von MANS zu unterstützen.

Autoren: Mustafa Canka / Mirjana Dikic

Redaktion: Fabian Schmidt