1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Montenegro: Neue Verfassung in der Kritik

25. Oktober 2007

Das montenegrinische Parlament hat nach monatelangen Verhandlungen eine neue Verfassung verabschiedet. Nun melden sich Verfassungsrechtler kritisch zu Wort: Der neue Text sei ein Rückschritt.

https://p.dw.com/p/BwbT
Alleingang der Parlamentarier bemängeltBild: AP

Die neue Verfassung spiegle zwar den Zeitgeist wider, sie hätte aber viel besser ausfallen können, wenn die Meinung der Experten mit eingeflossen wäre, lautet die einhellige Einschätzung von Verfassungsrechtlern. Montenegrinische Fachleute waren nicht in die Ausarbeitung der Endfassung eingeschlossen, fachkundige Korrekturvorschläge konnte aber die so genannte Venedig-Kommission, ein Expertengremium des Europarats, einbringen. Deren Empfehlungen wurden größtenteils übernommen. Juristisch betrachtet hat Montenegro eine starke Verfassung bekommen, die schwer zu ändern ist.

Praxis-Probleme beim Sprachgebrauch

Für den Universitätsprofessor Djordje Blazic ist der Artikel über den Gebrauch der unterschiedlichen Sprachen umstritten. Darin seien Bestimmungen ausgeblieben, wie die Nutzung der Sprachen umgesetzt werden solle. In der Verfassung ist Montenegrinisch als Amtssprache festgelegt, benutzt werden könnten ferner Serbisch, Bosnisch, Albanisch und Kroatisch. Gesetzlich festgelegt ist jedoch nicht, wie die Anwendung der übrigen Sprachen geregelt werden soll. Dies werde Probleme in der Praxis schaffen, meint Blazic: "Ich meine, diese Probleme sind bereits absehbar. Es kann passieren, dass serbische Abgeordnete fordern, dass Serbisch ins Montenegrinische übersetzt wird. Durch diese Gesetzeslücke wird es praktische Probleme geben, weil dieses Konzept der Mehrsprachigkeit nicht zu Ende geführt und definiert wurde."

Bürgerinitiativen abgeschafft

Diese Verfassungsversion sei ein Rückschritt im Vergleich zu der Verfassung von 1992, sagen Fachleute übereinstimmend. Dies sei insbesondere im Hinblick auf die Bürgerrechte der Fall. Laut der alten Verfassung konnten Bürger direkt Gesetze vorschlagen, wenn sie 6.000 Unterschriften für ihr Vorhaben gesammelt hatten. Künftig wird dies nur über Abgeordnete möglich sein. Damit sei praktisch die Bürgerinitiative abgeschafft worden. Sie hänge nun vom guten Willen der Abgeordneten ab, meinen Experten. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Mladen Vukcevic, sieht dadurch den direkten Bürgerwillen beschnitten. "Ich weiß nicht, was zu dieser Entscheidung geführt hat. Aber was es auch immer sein mag, es kann nicht der Grund für die Verringerung der Souveränität der Bürger und Völker in Montenegro sein", so Vukcevic im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Mangelnde Kontrolle?

Es sind noch weitere Inhalte der neuen Verfassung bei montenegrinischen Verfassungsrechtlern in der Kritik. So legt zwar die Verfassung die parlamentarische und zivile Kontrolle der Streitkräfte fest. Zugleich ist ein eigenes Organ, der Verteidigungsrat, eingeführt worden. Es setzt sich zusammen aus dem Staatspräsidenten, dem Regierungschef und dem Parlamentspräsidenten. Dadurch sei unnötigerweise das Prinzip des kollektiven Kommandos und der Kontrolle der Streitkräfte beibehalten worden, bemängeln Verfassungsrechtler. Unüblich sei ferner, wie der Präsident des Obersten Gerichtshofs ernannt werde. Er wird vom Staatspräsidenten, Regierungschef und Parlamentspräsidenten vorgeschlagen, was einzigartig in Europa ist. Bemängelt wird auch, dass die zivile Kontrolle der Arbeit des Präsidenten und der Abgeordneten nicht definiert ist, auch wenn sie vom Volk gewählt wurden.

Vesna Rajkovic, Podgorica
DW-RADIO/Serbisch, 24.10.2007, Fokus Ost-Südost