Mord in Mexiko mit deutscher Pistole
1. September 2015Mehr als 200 Morde hatte José Zavala gestanden, bevor er selbst in seiner Gefängniszelle liquidiert wurde. Zavala gehörte dem mexikanischen Drogenkartell "Los Zetas" an.
Für mindestens zwölf seiner Auftragsmorde benutzte Zavala eine Sig Sauer P239. Ein Detail im Prozess gegen den Killer. Doch für den deutschen Hersteller der Pistole hat es ein Nachspiel: Der deutsche Waffen-Gegner Jürgen Grässlin hat Anziege gegen das Unternehmen aus Eckernförde erstattet - wegen illegaler Waffenexporte.
Mord an prominenter Aktivistin gefilmt
Zavala - in der Szene als "The Wicked" (dt. der Böse) bekannt - wurde gefasst, nachdem vor einer laufenden Überwachungskamera Marisela Escobedo getötet hatte. Escobedo war zur Aktivistin gegen die verbreitete Straflosigkeit in Mexiko geworden, nachdem ein Gericht den geständigen Mörder ihrer Tochter wegen angeblichen Mangels an Beweisen freisprach.
Nach langem Kampf erreichte Escobedo, dass ein übergeordnetes Gericht den Freispruch revidierte und den Angeklagten in Abwesenheit schuldig sprach. Monatelang hatte Escobedo vor dem Gouverneurspalast von Chihuahua protestiert, um den Fahndungsdruck auf den Flüchtigen zu erhöhen. Bis das Drogenkartell Zavala schickte, um sie zu ermorden.
Deutsches Fabrikat als Mordwaffe
Im Gegensatz zum Mörder ihrer Tochter wurde Zavala festgenommen. In seinem Waffenarsenal fanden die Ermittler rund 200 Feuerwaffen, darunter auch die Tatwaffe aus deutscher Produktion. Aus den Akten, berichten ARD-Journalisten, gehe hervor, dass Zavala mit derselben Waffe mindestens elf weitere Menschen getötet hat.
Chihuahua ist einer von den vier mexikanischen Bundesstaaten, in die deutsche Unternehmen keine Waffen liefern dürfen, weil Sicherheitslage und Korruption dagegen sprechen. Laut Bundeswirtschaftsministerium hat Sig Sauer seit 2000 keine Exportlizenz mehr für Mexiko erhalten.
Die Anfrage der DW bei Sig Sauer blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Laut ARD heißt es aus dem Unternehmen, die Pistole sei in der US-Dependance gefertigt und wahrscheinlich mit hunderten anderen Waffen an einen legalen Händler in Mexiko verkauft worden. Eine deutsche Exportlizenz sei dafür nicht erforderlich.
Illegale Waffenexporte nach Lateinamerika
Rüstungkritiker Grässlin bezweifelt das: "Wir wissen, dass die Waffe mit deutscher Expertise und deutscher Technologie gefertigt wurde", konstatiert Grässlin gegenüber der DW. "Wenn die Pistolen aus den USA nach Kolumbien, Venezuela, Mexiko oder sonstwohin geliefert werden sollen, benötigt der Hersteller dafür eine Lizenz." Allein die Tatsache, dass die Waffe nach Chihuahua gelangt ist, sei also illegal.
Das Unternehmen aus Eckernförde nahe Kiel steht ohnehin unter juristischem Druck, nachdem im vergangenen Jahr Zehntausende Waffen in Kolumbien aufgetaucht sind, die offenbar in Deutschland gefertigt und über die US-Filiale nach Südamerika gelangt sind. Auch damals drängte Grässlin erfolgreich auf eine Klageerhebung gegen Sig Sauer. Und die Bundesregierung verbot dem Unternehmen einstweilen jegliche Waffenexporte.
Auch anderen deutschen Herstellern werden illegale Waffenexporte nach Lateinamerika vorgeworfen werden. Mehrfach sind Schusswaffen von Heckler und Koch, Hersteller des umstrittenen Sturmgewehrs G36, und Carl Walther in Ländern aufgetaucht, für die die Unternehmen offenbar keine gültigen Exportlizenzen hatten.
Die Firma Sig Sauer stellte nach Veröffentlichung dieses Artikels der DW gegenüber fest, dass die erwähnte Pistole in der Schweiz, nicht in Deutschland, entwickelt wurde. Weiterhin sei die Gesellschaft Sig.Sauer Inc., die in den USA die fragliche Waffe produziert hat, keine Tochtergesellschaft der Sig Sauer GmbH. (Anmerkung der Red. 5.10.2015)