Mordverdächtiger neuer Präsident von Surinam
13. August 2010Dési Bouterse ist am Donnerstag (12.08.2010) in Surinams Hauptstadt Paramaribo offiziell vereidigt worden. Bereits Mitte Juli hatte das Parlament den ehemaligen Militärmachthaber zum neuen Staatspräsidenten des 500.000-Einwohnerstaates gewählt. Der Wahl waren wochenlange Verhandlungen mit den Fraktionen vorausgegangen. Seine Partei wurde von den Bürgern Surinams im Mai mit 40 Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt. Das bedeutete 23 Parlamentssitze. Bouterse benötigte allerdings 36 Sitze, so dass er sich Partner suchen musste - sogar unter seinen Gegnern.
Auch Erzfeind unterstützt Bouterse
Um eine Mehrheit im Parlament zu bekommen, warb Dési Bouterse auch bei seinen Erzfeinden um Unterstützung. Er schaffte es, Ronnie Brunswijk auf seine Seite zu ziehen. Bouterse regierte Surinam bereits von 1980 bis 1987. In dieser Zeit lieferten sich Brunswijks Rebellentruppen aus "Maroons", den Nachkommenen entflohener Sklaven, mit Bouterses Staatstruppen einen Kampf mit mehreren hundert Toten. Nach der Wahl in diesem Jahr beschimpfte Brunswijk Bouterse als Mörder. Wenige Tage später ging er mit ihm eine Koalition ein. "Das Volk von Surinam sagt, es will Herrn Bouterse. Also muss ich das akzeptieren", erklärte Brunswijk seinen Sinneswandel. Und weiter: "Wenn der Großvater meines Großvaters mit den Sklavenhaltern Frieden schließen konnte, dann kann ich auch mit Herren Bouterse Frieden schließen."
Präsident unter Mordverdacht
Der neue Präsident Surinams steht unter Mordverdacht in 15 Fällen. Er wurde angeklagt, an der Erschießung von Gegnern des damaligen Militärregimes beteiligt gewesen zu sein. Die Tat geschah an einem Dezemberabend im Jahr 1982. Die Morde werden ihm und 20 Mitangeklagten zur Last gelegt. Bouterse hatte bereits die "politische Verantwortung" für die Morde eingeräumt, aber abgestritten unmittelbar beteiligt gewesen zu sein. Das Gerichtsverfahren läuft bereits seit November 2007. Parlamentspräsidentin Jennifer Geerlings-Simone, die Bouterse bei seiner Vereidigung die Amtskette umlegte, sagte: "Der Prozess wird fortgesetzt." Sie gilt als enge Verbündete des neuen Präsidenten. Bouterse hätte eigentlich am Freitag (13.08.2010), also dem Tag nach seiner Vereidigung, im Zeugenstand stehen sollen. Seine Aussage wurde allerdings verschoben, angeblich weil es nicht genug Sicherheitspersonal für die so kurz hintereinander stattfindende Amtseinführung des Präsidenten und den Prozess gebe. Als Präsident muss der 64-Jährige nicht mehr aussagen und könnte sich bei einer Verurteilung selbst eine Begnadigung verschaffen. Im drohen 20 Jahre Haft.
Präsident wegen Drogenschmuggels verurteilt
1999 wurde Dési Bouterse in den Niederlanden in Abwesenheit zu elf Jahren Haft wegen Drogenschmuggels verurteilt. Von der Staatsanwaltschaft wurde er als Boss des "Suri-Kartells" bezeichnet. Da Surinam jedoch kein Auslieferungsabkommen mit seiner früheren Kolonialmacht Niederlande hat, entging der ehemalige Militärmachthaber der Bestrafung.
Immer wieder an die Macht
Seit den 80er Jahren spielt der heute 64-Jährige eine entscheidende Rolle in Surinam. Im Februar 1980, fünf Jahre nach der Unabhängigkeit, putschte sich Bouterse an die Macht. Er löste das Parlament auf und setzte die Verfassung außer Kraft. 1987 musste er auf Grund von internationalem Druck den Weg für eine zivile Regierung frei machen. Die hielt aber nicht lange. Denn nur drei Jahre später führte Bouterse wieder einen Staatsstreich an und kam an die Macht. 1992 trat er als Militärchef zurück, behielt aber weiterhin großen Einfluss. Auch seine Verurteilung wegen Drogenschmuggels 1999 konnte ihm nichts anhaben. Er baute seinen Einfluss nach und nach aus. Seinen Tarnzug tauschte er gegen Anzug und Krawatte. Und so wurde er jetzt zum Präsidenten gewählt.
Begeisterung und Entsetzen in der Bevölkerung
Immerhin 40 Prozent der Bevölkerung des von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Landes stand bei den Wahlen im Mai hinter Bouterse. Sein Rückhalt in der Bevölkerung ist auch deshalb so groß, weil er versprach, die Sozialleistungen zu erhöhen, den Wohnungsbau zu verstärken und die von Bodenschätzen wie Erdöl und Gold abhängige Wirtschaft anzukurbeln. Es gibt allerdings auch viele Skeptiker in der Bevölkerung. Einer von ihnen ist der Geschäftsmann Sunil Oemrawsingh. Sein Onkel war einer der im Dezember 1982 Ermordeten. "Ich bin verbittert", sagt der 50-jährige Oemrawsingh mit Blick auf den neuen Präsidenten. Henri Behr ist ein weiterer Kritiker Bouterses. Es verlor bei den sogenannten "Dezembermorden" 1982 seinen jüngeren Bruder Bram. Der Ermordete wurde 31 Jahre alt. Er war Journalist, Geiger im Symphonieorchester von Surinam und Vater zweier kleiner Kinder. Henri Behr gibt die Hoffnung allerdings nicht auf, wenn er über den neuen Präsidenten von Surinam spricht: "Ob er sich geändert hat? Das hoffe ich."
Autor: Marco Müller (ap)
Redaktion: Thomas Kohlmann