Moskau: Gedenkmarsch für Boris Nemzow
25. Februar 2018Es kamen deutlich weniger Menschen als erwartet zum Gedenkmarsch für Boris Nemzow, der vor drei Jahren unweit des Kremls ermordet wurde. Die Organisatoren hatten mit 30.000 Teilnehmern gerechnet, doch es kamen weniger als halb so viele. Mit russischen Fahnen und Bildern des Reformpolitikers Nemzow in der Hand marschierten sie vom Puschkin-Platz aus die Ringstraße entlang, vorbei an den goldenen Kuppeln mehrerer russisch-orthodoxer Klöster hin zur breiten Sacharow-Allee. Dort löste sich der Zug bereits nach etwas über einer Stunde auf. Bei der Demonstration hielten viele Schilder in die Höhe, auf denen stand: "Ich fürchte mich nicht" oder "Das ist unser Land". Andere skandierten: "Wir wollen ein Russland ohne Putin", oder "Putin bedeutet Krieg". Damit erinnerten sie Boris Nemzow, der zu Lebzeiten Präsident Putin heftig kritisierte, auch wegen dessen Ukraine-Politik.
Prominente Oppositionelle fordern weitere Aufklärung
Immerhin befanden sich unter den Demonstranten prominente Oppositionspolitiker wie die Präsidentschaftskandidaten Xenia Sobtschak und Grigorij Jawlinkski, Chef der Partei Jabloko. Auch der Antikorruptionsaktivist Alexej Navalni, der aus vorgeschobenen Gründen nicht bei der Wahl antreten darf, marschierte mit.
Sie alle forderten, die Hintergründe der Ermordung von Nemzow endlich aufzudecken. Damit sprachen sie vielen Demonstranten aus der Seele. Die Mörder sind zwar dingfest und verurteilt worden. Doch wer den Auftrag für das Attentat gegen Nemzow gab, ist nach wie vor unklar. Jawlinski sagte, das Präsident Putin die politische Verantwortung trage. Xenia Sobtschak beklagte, dass in Russland Menschen immer noch für ihre politischen Ansichten ermordet werden können.
Erinnerungsmarsch als Statement gegen Putin
Der 18-jährige Dimitri - seinen Nachnamen wollte er nicht sagen - meint, dass die Menschen sich in Russland nicht sicher fühlen könnten, so lange wichtige Politiker vom Schlage eines Nemzow in der unmittelbaren Umgebung des Kremls ermordet würden. Der 50-jährige Sergej Zamesol beklagt, dass es zu Lebzeiten von Nemzow ein viel präsenteres politisches Leben gab als heute: "Damals waren die Menschen aktiver, es gab mehr Demonstrationen, mehr politisches Engagement der Zivilgesellschaft." Der 35-jährige Moskauer Gregorij Pokolnik meint, der Marsch sei ein willkommener Anlass gewesen, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, die ebenfalls mit der derzeitigen Politik des Kremls nicht einverstanden seien.
Die Polizei zeigte während der ganzen Demonstration Präsenz, hielt sich aber weitestgehend zurück. Bereits in der U-Bahn-Station "Puschkin-Platz" standen Dutzende Beamte in ihren schwarzen Uniformen. Später begleiteten sie die Demonstranten, indem sie sich links und Rechts des Protest-Zuges aufstellten. Es gab kaum Ausschreitungen oder Festnahmen. Im Großen und Ganzen verlief der Marsch friedlich.
Weshalb also kamen so wenige zur Demo? Vielleicht lag es am Moskauer Winter mit 15 Grad Celsius unter Null. Vielleicht aber auch am langen Wochenende, denn Freitag war Feiertag in Russland. Viele nutzen ein paar freie Tage für einen Kurzurlaub auf der Datscha oder bei Verwandten. Doch die, die bei dem Marsch für Nemzow dabei waren, haben sich schon jetzt verabredet: 2019 werden sie erneut an dessen Ermordung erinnern.