Moskau und Kiew ermahnen sich gegenseitig
12. August 2016Russland macht der Ukraine schwere Vorwürfe, die Ukraine erwidert sie. Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte in New York, er hoffe, dass die Ukraine "klug genug" sei, um alles in ihrer Macht stehende für eine Entschärfung der Lage zu tun. "Lasst die Finger von Sabotage und Terrorismus - das ist mein guter Rat an meine ukrainischen Freunde." Die Ukraine habe auf der Krim einen "eindeutigen Sabotage- und Terrorakt" begangen. Die Angriffe zeigten, "dass in Kiew Chaos herrscht". Die ukrainische Regierung versuche, auf diese Weise von anderen Dingen abzulenken.
Der ukrainische UN-Botschafter Wolodymyr Jeltschenko verwies nach der Sitzung des UN-Sicherheitsrats hinter verschlossenen Türen darauf, dass Russland rund 40.000 Soldaten auf der Krim, im Osten der Ukraine und an der Grenze zusammengezogen habe. "Diese Zahlen könnten schlechte Absichten widerspiegeln. Das ist das letzte, was wir wollen", sagte er. Er habe seinen russischen Kollegen bei der Dringlichkeitssitzung aufgefordert, Beweise für die Sabotagevorwürfe vorzulegen. "Wenn es wirklich passiert ist, wo sind die Beweise? Erklärungen, Bilder, Fotos, Videos, was auch immer?", sagte Jeltschenko. Bislang gebe es nur Worte.
Erhöhte Gefechtsbereitschaft
Das Treffen des höchsten UN-Gremiums fand auf Bitten der Ukraine statt, die zuvor nach den russischen Vorwürfen ihre Truppen an der Grenze zur Schwarzmeerhalbinsel Krim und im Osten des Landes in erhöhte Gefechtsbereitschaft versetzt hatte. Die Ukraine ist derzeit nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat, Russland ist Vetomacht.
Am Mittwoch hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB erklärt, er habe Anschläge ukrainischer Saboteure auf der annektierten Halbinsel Krim verhindert. Präsident Wladimir Putin beriet am Donnerstag mit seinem Sicherheitsrat in Moskau über verstärkten Schutz für Bürger und Infrastruktur der Krim. Es gehe um "Anti-Terror-Maßnahmen an der Landgrenze, der Küste und im Luftraum" der Halbinsel. Putin hatte der Ukraine in scharfen Worten Terrorismus vorgeworfen und mit Gegenmaßnahmen gedroht. Kiew wies die Vorwürfe zurück.
Suche nach Beistand
Angesichts der wachsenden Spannungen sucht die ukrainische Regierung internationalen Beistand. Präsident Petro Poroschenko bat am Donnerstag um Telefonate mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande und anderen Spitzenpolitikern. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will nach Angaben aus Kreisen seines Ministeriums diesen Montag nach Russland reisen.
Es wird befürchtet, dass Russland die angebliche Sabotage als Vorwand für ein weiteres militärisches Eingreifen nutzen könnte. In der Ostukraine, wo Russland die Separatisten mit Waffen und Soldaten unterstützt, sind die Totenzahlen bei Gefechten in den vergangenen Wochen wieder gestiegen.
"Es gibt im Moment niemanden, der die russischen Vorwürfe bestätigen kann", sagte der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, der "Passauer Neuen Presse". "Ich weiß nicht, wo der russische Präsident hin will", fügte er hinzu. "Uns bleibt in dieser Situation nur, an die Besonnenheit der Verantwortlichen in Kiew und Moskau zu appellieren."
Im März 2014 hatte Russland die strategisch wichtige Krim militärisch besetzt. Dann ließ es die Bevölkerung in einem völkerrechtlich nicht anerkannten Referendum über einen Anschluss abstimmen. Die widerrechtliche Annektion sowie der Krieg in der Ostukraine lösten das andauernde tiefe Zerwürfnis zwischen Russland und dem Westen aus.
Die US-Regierung zeigte sich "extrem besorgt" über die erneuten Spannungen zwischen Moskau und Kiew und forderte beide Konfliktparteien auf, jede Eskalation zu vermeiden. Die Position der USA sei bekannt: Die Krim sei Teil der Ukraine und als solche von der internationalen Gemeinschaft anerkannt, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums.
stu/SC (afp, dpa)