Moskau veröffentlicht Einreiseverbote
30. Mai 2015Die russische Regierung hat nach niederländischen Regierungsangaben eine Liste mit Einreiseverboten für mehrere EU-Politiker veröffentlicht. Eine schwarze Liste mit den Namen der Betroffenen sei mehreren EU-Botschaften übermittelt worden, sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte während seiner wöchentlichen Pressekonferenz in Den Haag.
Nach Angaben des belgischen Außenministers Didier Reynders umfasst die Liste 89 Namen. Rutte zufolge sind unter den Politikern zwei Abgeordnete des niederländischen Parlaments und ein niederländischer Europaparlamentarier.
"Es ehrt mich"
Laut Informationen der "Bild"-Zeitung und der Onlineausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sind auf der Liste auch acht Deutsche. Neben dem Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann (CDU), dessen Einreiseverbot für diplomatische Verstimmung gesorgt hatte, stehen laut "Faz.net" auf der Liste:
-der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Fuchs,
-die Grünen-Europapolitiker Rebecca Harms und
-Daniel Cohn-Bendit,
-der CSU-Politiker Bernd Posselt,
-die Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Katrin Suder,
-der Generalsekretär des EU-Ministerrats, Uwe Corsepius und
-der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner.
CDU-Politiker Fuchs sagte der "Bild"-Zeitung: "Es verwundert mich, auf dieser Liste zu stehen. Es ist nicht korrekt, wenn Russland Politiker aussperrt, die nur ihre Meinung sagen." Fuchs hatte mehrmals die Sanktionen gegen Russland begrüßt. Daniel Cohn-Bendit sagte der Zeitung: "Es ehrt mich, wenn mich ein totalitäres System wie Russland als Feind des Totalitarismus brandmarkt." Grünen-Politikerin Harms erklärte, Russland räche sich jetzt für die EU-Einreisverbote.
Der Fraktionschef der Liberalen im EU-Parlament und ehemalige belgische Ministerpräsident, Guy Verhofstadt, steht nach Angaben seines Sprechers Jeroen Reijnen ebenfalls auf der schwarzen Liste. Als Grund dafür vermutete Reijnen, dass Verhofstadt sich für eine unabhängige internationale Untersuchung der Ermordung des russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow eingesetzt habe.
Transparenz gefordert
Auch der niederländische Regierungschef Rutte sieht in der Liste aus Moskau eine Reaktion auf die von der Europäischen Union im Zuge des Krim-Konflikts und der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Strafmaßnahmen, einschließlich Reiseverboten für russische Politiker und Unternehmer. Die Moskauer Liste stütze sich weder auf das "Völkerrecht", noch sei sie "transparent", fügte der rechtsliberale Ministerpräsident hinzu.
Die Bundesregierung forderte von Russland ebenfalls "Transparenz" und "Rechtsstaatlichkeit", wie das Auswärtige Amt mitteilte. Personen, die auf russischen Visasperrlisten geführt würden, müssten dies "sofort erfahren" - auch um dagegen Rechtsmittel einlegen zu können, hieß es weiter.
Das Auswärtige Amt bekräftigte zugleich, dass es die Aufhebung der Einreiseverweigerung für den Bundestagsabgeordneten Wellmann erwarte. Wellmann, der in Moskau politische Gespräche führen wollte, war dort am Sonntagabend auf dem Flughafen die Einreise verwehrt worden. Außerdem wurde ihm mitgeteilt, dass er bis 2019 nicht nach Russland einreisen dürfe. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe und hatte das russische Verhalten im Ukraine-Konflikt wiederholt deutlich kritisiert.
Steinmeier: "Nicht besonders klug"
Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte die Entscheidung des Kreml als nicht besonders klug. Dies sei auch kein geeigneter Beitrag zu den Bemühungen, "einen hartnäckigen gefährlichen Konflikt in der Mitte Europas zu entschärfen", sagte Steinmeier am Rande seines Ukraine-Besuchs.
Eine Sprecherin des diplomatischen Dienstes der EU erklärte, Brüssel nehme die Bekanntgabe der Liste zur Kenntnis. Der EU lägen jedoch keine weiteren Informationen über die "rechtliche Grundlage, die Kriterien oder das Verfahren" vor.
Belgiens Regierungschef Charles Michel und sein Außenminister Reynders protestierten gegen die Liste. Sie forderten die russischen Behörden auf, die Einreiseverbote zurückzunehmen.
stu/pab (afp, dpa)