1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Moskaus veränderte Prioritäten in Syrien

Kersten Knipp26. Januar 2015

Die russische Regierung hat Vertreter des Assad-Regimes und der syrischen Opposition zu Gesprächen nach Moskau eingeladen. Assad, fürchten seine Gegner, könnte die Bedrohung durch den IS zum Machterhalt nutzen.

https://p.dw.com/p/1EQ3O
Der russische Außenminister Sergei Lawrow und sein syrischer Kollege Walid Muallem, 9.9. 2013 (AFP)
Der russische Außenminister Sergei Lawrow und sein syrischer Kollege Walid MuallemBild: AFP/Getty Images

Teilnehmen ja oder nein? Seit Tagen beraten Mitglieder der verschiedenen syrischen Oppositionsgruppen darüber, ob sie das russische Angebot zu Verhandlungen mit dem Assad-Regime annehmen oder besser ablehnen sollen. Für diesen Montag hat Moskau beide Parteien, das Regime ebenso wie die teils zerstrittene Opposition, zu Gesprächen eingeladen. Doch Assads Gegner zögern: Sollen sie dem Ruf eines Staates folgen, der seit Beginn des Bürgerkriegs auf Seiten des syrischen Regimes steht - und der sich nun als Vermittler anbietet?

Mitte vergangener Woche trafen sich Vertreter der verschiedenen Oppositionsgruppen in Kairo, um über den Moskauer Vorstoß zu beraten. Auch nach dem Treffen bleiben sie skeptisch. Sie vermissen nicht allein die Neutralität des Gastgebers. Ebenso bereitet ihnen der Umstand Sorge, dass Moskau nicht die verschiedenen Oppositionsgruppen oder deren Vertreter eingeladen hat, sondern einzelne Oppositionelle. Diese sind für die verschiedenen Gruppen aber nicht unbedingt repräsentativ.

Druck aus Moskau

Ebenso verwahren sie sich gegen die Art, in der Moskau die Oppositionellen dazu zu bewegen versucht, die Einladung anzunehmen. "Diejenigen, die sich dazu entschließen, den Verhandlungen fernzubleiben, werden während des gesamten Verhandlungsprozesses keinerlei Bedeutung mehr haben", hatte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin im Vorfeld der Gespräche erklärt.

Auch das hatte nicht dazu beigetragen, die Opposition zur Teilnahme zu ermutigen. "Ein Prozess, der von den Russen initiiert wird, die Assad mit Waffen und Expertise unterstützen und die nun sich nun aussuchen, wen sie einladen - ein solcher Prozess bereitet einigen Oppositionellen erhebliches Kopfzerbrechen", erklärte Reza Afshar, ein ehemaliger britischer Diplomat und nun Berater der Koalition der syrischen Oppositionskräfte.

Syrische Zivilisten nach einem Angriff in Hamouria, 23.1.2015 (Foto: Reuters)
Leidtragende des Krieges: die syrische ZivilbevölkerungBild: Reuters/Abd Albaset

Opposition fordert Übergangsregierung

Außerdem verlangt die Opposition, dass über den Rücktritt Präsident Assads gesprochen werden müsse. "Wenn es keine Bedingungen hinsichtlich der zu erreichenden politischen Ziele gibt - also einer Übergangsregierung ohne Assad und mit vollständiger Exekutivbefugnis -, dann sehen wir keinen Grund, nach Moskau zu fahren", sagte Murhaf Jouejati, ein Vertreter der Koalition der syrischen Oppositionskräfte. "In diesem Fall wird es in Moskau nur zu einer neuen Auflage der gescheiterten Verhandlungen von Genf kommen."

Bedingungen zu erfüllen, dazu ist Moskau allerdings nicht bereit. Wohl aber setzen sich die Vermittler dafür ein, dass über alle Anliegen beider Seiten gesprochen werden kann. Kein Thema soll ausgeschlossen werden.

Doch eine solche Garantie reicht den Vertretern der Opposition nicht. Sie fürchten, Verhandlungen ohne Bedingungen dienten allein dazu, Assads politische Rolle zu legitimieren. "Nach Moskau zu gehen, während Assad zugleich tausende Zivilisten und Demonstranten in seinen Geheimgefängnissen hält und Tod und Verderben auf die syrischen Städte regnen lässt, wäre für Syrien nichts als der letzte Gnadenstoß", erklärte Nasr al-Hariri, ein weiterer Sprecher der oppositionellen Koalition.

Dialog mit der Hisbollah

Vertreter des syrischen Regimes hingegen stehen seit Monaten in engem Kontakt mit der russischen Führung. Wiederholt waren im vergangenen Herbst hochrangige Delegationen nach Moskau gereist, um über die Lage in Syrien zu beraten. Zugleich hatten sie Moskau um einen Kredit von drei Milliarden US-Dollar ersucht. Den aber hatte die russische Regierung nicht geben wollen. Zum einen, vermuten Beobachter, weil Russland durch die Ukraine-Krise und die bis vor kurzem noch fallenden Energiepreise selbst in einem ökonomischen Engpass steckt. Zum anderen aber auch, um Druck auf die syrische Regierung auszuüben.

Hisbollah Hassan Nasrallah in Beirut 17.09.2012 (Foto: AFP / Getty Images)
Neuer Partner Moskaus? Hisbollah-Chef Hassan NasrallahBild: Joseph Eid/AFP/Getty Images

Worum es geht, hatte der russische Vizeaußenminister Michail Bogdanow während einer Reise nach Damaskus Mitte Dezember erklärt. "Unser grundlegendes und wichtigstes Ziel ist es, den Terrorismus zu bekämpfen."

Das war vor allem auf die Bedrohung durch die Terrororganisation "Islamischer Staat" in Syrien und im Irak gemünzt. Um zu verdeutlichen, wie ernst es Moskau mit diesem Anliegen ist, machte Bogdanow vor seiner Ankunft in Damaskus einen Abstecher nach Beirut. Dort soll er sich Presseberichten zufolge auch mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getroffen haben. Die Hisbollah steht mit tausenden von Kämpfern an der Seite Assads. Zugleich ist sie eng mit dem Iran verbunden. Dieser gilt in Moskau und zunehmend auch in Washington als einer der wichtigsten Partner im Kampf gegen den "Islamischen Staat" und andere Dschihadisten.

Der Kampf gegen den Terror hat in Moskau offenbar oberste Priorität. Kurz nach dem Treffen zwischen Bogdanow und Nasrallah trat Hisbollah-Generalsekretär Naim Kassim an die Öffentlichkeit und erklärte: "Jeder sollte sich nun auf schmerzhafte Kompromisse einstellen, um eine politische Lösung zu erreichen, die Syrien von seiner Krise erlösen wird."

Syrien Truppenbesuch Assad 1. Jan. 2015 (Foto: AP / Sana)
An der Front: Assad zu Besuch bei der TruppeBild: picture-alliance/dpa/AP Photo/SANA

Assads strategisches Kalkül

Dem Kampf gegen den Terrorismus räumen offenbar auch die USA immer höhere Priorität ein. Hatten sie zunächst kategorisch den Rücktritt Assads gefordert, scheinen sie ihre Ziele der veränderten Lage anzupassen. So erklärte US-Außenminister John Kerry Mitte Januar, Assad müsse sich für die Bevölkerung einsetzen, statt große Teile der Syrer zu bekämpfen. Die chaotische Lage locke immer mehr Terroristen ins Land, deren erklärtes Ziel ein Sturz des Regimes sei.

Der syrischen Opposition fiel vor allem eines auf: Von einem Rücktritt Assads sprach Kerry nicht mehr. Eben darum fürchtet sie, die Verhandlungen in Moskau würden letztlich zu nichts anderem dienen als dazu, Assad an der Macht zu halten. Dessen Strategie könnte damit aufgehen. Russland, die USA und Iran würden ihn an der Macht halten, um mit ihm gemeinsam diejenigen Terroristen zu jagen, von denen einige Assad selber vor vier Jahren aus den Gefängnissen entlassen hatte.