Deutschlands Museen durchforsten ihre Sammlungen
7. Mai 2015Das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln hatte die wertvolle Holz-Statue aus dem früheren Belgisch-Kongo vor 37 Jahren erworben. Inzwischen wurde sie entweder gestohlen oder gegen ein anderes Objekt getauscht. Warum das Kunstwerk jetzt für 80.000 Euro an einen Sammler versteigert werden konnte? Das Museum steht vor einem Rätsel.
Weniger der Verbleib als die Herkunft von Kunstwerken beschäftige jetzt die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes in Essen. "Die Biografie der Objekte. Provenienzforschung weiter denken", unter diesem Titel beleuchteten die Experten unterschiedliche Aspekte der Provenienzforschung. Denn neben Sammeln und Ausstellen betrachten Museen auch die Forschung zu Herkunft und Geschichte von Kulturobjekten als ihre Kernaufgabe.
Der Fall Gurlitt machte Tempo
Dabei gehört die Suche nach NS-Raubkunst in deutschen Kunstmuseen mittlerweile zum Tagesgeschäft, wie Anja Schaluschke vom Deutschen Museumsbund bestätigt. Nicht zuletzt der Fall Gurlitt habe die Nachforschungen beschleunigt. Große Teile der Erbschaft des früheren NS-Kunsthändlers, bekannt als "Schwabinger Kunstfund", stehen unter Raubkunstverdacht.
Doch was ist mit dem kolonialen Erbe in archäologischen, ethnologischen oder auch naturwissenschaftlichen Sammlungen? Wie umgehen mit den Hinterlassenschaften fremder Kulturen, die durch Ankäufe und Schenkungen, nach Expeditionen, Raubgrabungen oder Eroberungen in den Besitz deutscher Museen gelangten? Viele Museen hätten zwar "keinen umfassenden Überblick", so Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin. Doch sei "keineswegs alles nur geklaut". Das berühmte Ischtar-Tor aus Babylon oder die Nofretete beispielsweise seien einst ganz legal nach Berlin gekommen.
Grütters: Auch koloniales Erbe erforschen
Kulturstaatsministerin Monika Grütters stellte in Essen schon einmal klar, worum es der Politik in der heiklen Herkunftsfrage geht. Provenienzforschung dürfe sich nicht auf die Suche nach NS-Raubkunst beschränken, sondern müsse auch die Kolonialzeiten einbeziehen. Gerade angesichts der Forderungen von Völkern, die vor der Kolonialisierung in bestimmten Gebieten lebten, "stehen wir da wissenschaftlich noch ziemlich am Anfang der Diskussion", so die CDU-Politikerin. Kein Museum könne sich heute "Ignoranz gegenüber der moralischen und ethischen Dimension der Beschaffungspraktiken" leisten.
Die Ausstellungshäuser sollen also auch solche Objekte erforschen, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute in ihre Sammlungen gelangten. Welchen Regeln die Suche zu folgen hat, ist derzeit nicht festgeschrieben. Einen Leitfaden dafür gibt es vom Museumsbund nicht. Ebenso wenig existiert ein "Masterplan für eine unabhängige Provenzienforschung in allen Museen", wie ihn der Berliner Hilgert fordert, nicht zuletzt, weil auch Besucher archäologischer Museen immer häufiger danach fragten, woher denn die bestaunten Ausstellungsstücke eigentlich stammten.
Neues Gesetz für Kulturgutschutz
Derzeit novelliert Deutschland sein Kulturgutschutz-Gesetz. Es soll dem illegalen Handel mit Kulturgut einen Riegel vorschieben, wie ihn etwa die Terrormiliz IS von Irak und Syrien aus betreibt. "Das mit anzusehen, schmerzt uns Museumsleute natürlich besonders", beteuert Museumsbund-Sprecherin Schaluschke. Sie hofft auf einen Erfolg des Gesetzes, das die Arbeit deutscher Museen gleichwohl kaum berührt. Aktives Sammeln durch neue Ankäufe gehört nach Schaluschkes Worten längst der Vergangenheit an. "Wir stellen vor allem Leihgaben oder eigene Bestände aus."
Der Deutsche Museumsbund ist die Interessenvertretung der deutschen Museen und ihrer Beschäftigten. Der 1917 gegründete Verein hat seinen Sitz in Berlin. Ihm gehören rund 2.850 Mitglieder an, darunter Museen aller Größen und Sparten.
Eine Frage konnten die Museumsexperten auf ihrer Essener Tagung freilich nicht klären: Wieso gehört der kongolesische Fetisch nicht mehr zum Bestand des Rautenstrauch-Joest-Museums? Seit April 2015 ermittelt die Staatsanwaltschaft.