Musikfernsehen ohne Musik
8. Dezember 2004Der Westcoast Hip-Hopper Alvin Nathaniel Joiner alias Xzibit hat eine Show auf MTV. Gut und schön, mögen Sie da denken. Ein Musiker und ein Musiksender - wo ist da der Haken? "Pimp my Ride" heißt die Sendung, die jeden KFZ-Lehrling mit den Ohren wackeln lässt. Denn hier dreht sich alles um Autos und Schrauberei - und das in Perfektion.
Unmusikalische Munddusche
Bei Xzibit werden schrottreife Karren aus der Nachbarschaft wahlweise mit einem Dutzend Fernseher, einer Munddusche oder auch mal mit einer Hand voll Videospielkonsolen bestückt. Richtig: Mit Musik hat das gar nichts zu tun. Das macht aber nichts. Denn das Musikfernsehen wie wir es kannten, gibt es schon längst nicht mehr.
Mit der Übernahme der beiden Viva-Clipkanäle durch den US-amerikanischen Medienkonzern Viacom wird das Jahr 2005 in Deutschland noch unmusikalischer. Das mit 310 Millionen Euro teuer erkaufte Monopol im Musikvideo-TV will Viacom, bereits im Besitz von MTV, offenbar durch ein schlankes Programm finanzieren.
Musik (non)stop
Die Musik wird laut "Programm-Schedule für 2005" zwischen 13:30 und 23 Uhr fast komplett aus dem MTV-Programm gestrichen. Statt redaktionell betreuter Sendungen, wird es noch mehr vorproduzierte englischsprachige Trash-Formate, noch mehr günstigte Comic-Programme und Clip-Sendungen mit kostenpflichtigen Hotlines geben. Die Musik wird dabei zum Hintergrundgedudel degradiert.
Der Slogan "Musik nonstop", mit dem MTV jahrelang durch das Programm führte, hat ausgedient. Musik als Kulturgut und Musiksender als deren Träger scheinen in Anbetracht von Tagesdurchschnittsquoten, Marktanteilen und Werbezeitenverkauf nicht mehr gefragt. Schließlich muss sich alles rechnen. 290 Viva-Mitarbeiter blicken in eine mehr als unsichere Zukunft. Personaleinsparungen und Massenentlassungen sind für Viacom im Zuge der Gewinnoptimierung eine mögliche Option.
Kommerziell nicht erfolgreich
"Musik ist der zentrale Teil von MTV", erklärt Catherine Mühlemann. Im nächsten Satz schiebt die deutsche MTV-Chefin dann allerdings schnell nach, dass Mode und Lifestyleprodukte ja auch fast genauso wichtig seien. Und dass es natürlich auch um Unterhaltung zu gehen habe. Für das Unterhaltungsverständnis ihrer Zielgruppe bestens geeignet finden Mühlemann und die Programm-Verantwortlichen Formate wie "Big Brother".
"Die Viacoms dieser Welt verstehen nicht, warum man eine kulturelle Sendung haben soll oder irgendetwas, das kommerziell scheinbar unerfolgreich ist", sagt Charlotte Roche im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Roche, Grimme-Preis-Trägerin und Viva-Aushängeschild befindet sich trotz laufender Verträge seit vergangener Woche im TV-Streik. Dem Ende ihrer Sendung "Fast Forward", die Ende des Jahres eingestellt werden wird, ist sie damit zuvor gekommen.
Ich hör nichts mehr
Das Projekt Musikfernsehen, das am 1. August 1981 mit dem legendären ersten MTV-Video der Buggles "Video killed the radio star" begann, sollte vielleicht mit einer Single der Band The Libertines enden. "I no longer hear the music" heißt es da herrlich betrübt. Und obwohl es im Lied eigentlich um was ganz anderes geht, passt der Text wie die Faust aufs Auge.