Gedicht von Dylan Thomas missbraucht
15. März 2019Das unsignierte, 74 Seiten lange Manifest des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch eröffnet mit dem berühmtesten Gedicht des walisischen Dichters Dylan Thomas. Bekannt ist es vor allem durch seine erste Zeile "Do Not Go Gentle into That Good Night", zu deutsch "Geh' nicht sanft in diese gute Nacht".
In seinem Gedicht verwendet Thomas wiederholt das Wort "Wut", was den Eindruck erwecken könnte, der Dichter riefe zum Kampf auf. Doch vermutlich schrieb der Lyriker die Zeilen für seinen sterbenden Vater, dessen Krankheit er beklagte und ihn anflehte, sich ans Leben zu klammern.
"Und du, mein Vater, da auf der traurigen Höhe,
Fluch, segne mich jetzt mit deinen heftigen Tränen, ich bete.
Geh nicht sanft in diese gute Nacht.
Wut, Wut gegen das Sterben des Lichts."
Als Thomas das Gedicht 1947 schrieb, hatte er mit vielerlei Problemen zu kämpfen - mit Armut, einer unglücklich verlaufenen Ehe und seiner Alkoholsucht.
Ganze 19 Zeilen zählt das lyrische Gedicht, das Thomas in der Form einer "Villanelle", eines einfach gesetzten, meist dreistimmigen italienischen Bauern- und Hirtenliedes des 16. Jahrhunderts, verfasst hat. Es gilt als eines der meistgelesenen englischsprachigen Werke der Welt.
Erster Rockstar der Poesie
Der 1914 in Wales geborene Thomas begann nach dem Abitur, im Alter von 16 Jahren, als Journalist zu arbeiten und veröffentlichte erste Gedichte und Geschichten. Berühmt wurde er mit seinen Radioaufnahmen für die BBC in den späten 1940er Jahren.
Sein Lesestil - bei dem er die Worte in einer Art Singsang gleichsam hinwarf - machte ihn zum ersten "Rockstar" der Poesie und ebnete zugleich den Weg zu den Beats der 1950er Jahre bis hin zu den heutigen Poetry Slams. Sein Werk hat Bob Dylan stark beeinflusst. Die Darstellung des Dichters gehörte auch zu den legendären Figuren auf dem Beatles-Album "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band".
Dylan Thomas starb 1953 im Alter von nur 39 Jahren in New York City.
Oft zitiert in der Populärkultur
Obwohl das Werk "Do Not Go Gentle into That Good Night" urheberrechtlich geschützt bleibt, erscheint das Gedicht auf verschiedenen Websites und ist in der Popkultur weit verbreitet. So rezitiert Michael Caines Figur Professor John Brand in Christoph Nolans Science-Fiction-Film "Interstellar" (2014) das Gedicht gleich mehrmals.
Der Film erzählt die Geschichte vom drohenden Aussterben der Menschheit. Im Film "Independence Day" (1996) führt der fiktive US-Präsident mit einer leicht abgewandelten Version des berühmten Satzes einen Angriff auf außerirdische Invasoren an: "Wir werden nicht leise in die Nacht gehen". Die Lehrerin, die Michelle Pfeiffer in "Dangerous Minds" (1995) spielte, nutzt das Gedicht in ihrer Klasse als Inspirationsquelle.
1954 wurde das Gedicht zu Orchestermusik vertont - Igor Strawinsky setzte Thomas damit ein musikalisches Denkmal. Außerdem nutzte es John Cale in seinem Album "Words for the Dying" (1989). Musikgruppen aller Art haben das Stück bis heute in Songs zitiert, von der britischen Black-Metal-Band Anaal Nathrakh über den US-Rapper G-Eazy bis hin zur christlichen Rockband Brave Saint Saturn.