Mutmaßlicher kroatischer Kriegsverbrecher Gotovina gefasst
9. Dezember 2005Carla del Ponte, die Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals, gab die Nachricht in Belgrad bekannt: „Ich will Ihnen nun eine gute Nachricht weitergeben, die ich vor einer Stunde erhalten habe, dass Ante Gotovina verhaftet wurde. Er wurde diese Nacht in Spanien, auf den kanarischen Inseln, festgenommen und ist jetzt in Haft, endlich, und wird nach Den Haag überstellt werden. Ich bin Kroatien sehr dankbar für all' die Arbeit, die es mit uns geleistet hat und natürlich den spanischen Behörden, die mit uns und Kroatien zusammengearbeitet haben. Seit September arbeiten wir daran, Gotovina zu finden und wir konnten das endlich erreichen. Gotovina ist also in Haft und wird nach Den Haag überstellt und ich erwarte jetzt natürlich Mladic und Karadzic und die anderen Flüchtlinge."
Bestätigung für Kroatien
Auch ihn habe die Chefanklägerin am Morgen von den Ereignissen in Kenntnis gesetzt, sagte der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader zu Beginn der heutigen Kabinettsitzung. Er erklärte: "Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen, dass all' die, die uns geglaubt haben, als wir sagten, dass Gotovina nicht in Kroatien ist, heute ihre endgültige und vollständige Bestätigung erhalten haben. In diesem Sinne muss ich sagen, dass auch alle Institutionen, die einbezogen waren und auf Grundlage von deren Informationen wir immer gesagt haben, dass Gotovina nicht in Kroatien ist, dass sie tatsächlich Recht gehabt haben. Und dass man heute sieht, dass die Glaubwürdigkeit der Republik Kroatien und ihrer Institutionen im vollständigen Sinne dieses Wortes bestätigt wurde. Zur Rechtsstaatlichkeit, meine Damen und Herren, gibt es keine Alternative."
Die Nachricht über die Verhaftung Gotovinas erreichte die Abgeordneten zum Beginn der 17. Sitzungsrunde des Parlaments. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (SDP), der frühere Ministerpräsident Ivica Racan, meinte, dass in letzter Zeit alle für Kroatien wichtigen Nachrichten von außerhalb kämen und fügte hinzu: "Ich glaube, dass hiermit ein wichtiger Schritt gemacht wurde, eine der für Kroatien offenen Fragen zu lösen, aber auch für General Gotovina selbst."
Kroatiens Nationalisten glauben an Unschuld
Der Vorsitzenden der nationalistischen Kroatischen Partei des Rechts (HSP), Anto Dapic, sagte, dass die Nachricht über die Verhaftung Gotovinas viele Kroaten traurig mache: "Ich glaube, man muss nicht erklären, warum ein großer Teil der kroatischen Landesverteidiger, der Öffentlichkeit, heute betrübt und traurig ist. Wir wollen nicht vergessen, dass ein Teil der Anklage gegen General Gotovina auch eine Anklage gegen das kroatische Volk und Präsident Tudjman darstellt. Ich hoffe aber, das es General Gotovina unabhängig von diesen Schwierigkeiten, gelingen wird, seine Unschuld zu beweisen, ebenso wie die Tatsache, dass das kroatische Volk einen Befreiungskrieg geführt hat und das es keine ethnischen Säuberungen, Pogrome und Massaker an Serben in Kroatien gegeben hat, sondern im Gegenteil einen Genozid am kroatischen Volk."
Ansporn für Belgrad
In Brüssel wurde die Nachricht positiv aufgenommen. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer überraschte die Journalisten auf der Pressekonferenz zur Außenministerkonferenz mit der Neuigkeit und sagte, dass sei eine gute Nachricht für die Welt. Auch der serbische Außenminister Vuk Draskovic sowie der montengrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic, beide zu Besuch in Brüssel, begrüßten die Verhaftung. Djukanovic bewertete sie als moralische Anregung und Ansporn für Belgrad, nun auch die weiteren Angeklagten festzunehmen.
Wendepunkt im Bemühen um Aussöhnung
EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn wies auf die Bedeutung hin, die dieser Schritt für die weitere Zukunft der Region habe: "Die Verhaftung von Gotovina ist eine sehr gute Nachricht und ein wichtiger Wendepunkt im Bemühen um Gerechtigkeit und Aussöhnung auf dem Balkan. Ich glaube, dadurch wird die Arbeit des Jugoslawien-Tribunals einem Abschluss näher kommen. Ich bin zuversichtlich, dass die anderen Staaten der Region, besonders Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina, jetzt alles tun werden, um voll mit dem Tribunal zu kooperien, damit die restlichen Gesuchten, Ratko Mladic und Radovan Karadzic, überstellt werden können. "
Gordana Simonovic
DW-RADIO/Kroatisch, 8.12.2005, Fokus Ost-Südost