Mythos und Wahrheit über Stalingrad
3. Februar 2013Vor genau 70 Jahren, am 2. Februar 1943, endete die Schlacht um Stalingrad. Sie gilt als eine der blutigsten des Zweiten Weltkriegs. Das Wort "Stalingrad" ist weltweit zu einem Inbegriff für die Schrecken des Krieges geworden.
Stalingrad: Auf den Landkarten der Welt findet sich dieser Name der Stadt, die heute Wolgograd heißt, längst nicht mehr. Aber aus dem Bewusstsein der Menschen ist "Stalingrad" nicht verschwunden. Warum haben sich andere Schlachten des Zweiten Weltkriegs wie die um Moskau oder Kursk in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so stark verankert? Im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden findet derzeit eine Sonderausstellung statt, die der Schlacht um Stalingrad gewidmet ist. Die Veranstalter versuchen, Antworten auf diese Frage zu finden.
Stalingrad als Medienereignis
Zu sehen gibt es in der Ausstellung natürlich Maschinengewehre und Panzer mit Flak. Aber nicht nur. Da sind auch eine Mundharmonika, die es als Trophäe gab, und eine geschmückte künstliche Tanne. Solche Weihnachtsbäume ließ im Winter 1942 Luftwaffen-Oberbefehlshaber Hermann Göring nach Stalingrad schicken, um die Kampfmoral der frierenden Offiziere des Reichs aufrechtzuerhalten.
Aber die wichtigste Besonderheit der Ausstellung ist, dass sie dokumentiert, wie Stalingrad zu einem Mythos gemacht wurde, noch lange bevor die Schlacht begann. Unter den Exponaten finden sich deutsche Zeitungen, die schon im April 1942 von einem bevorstehenden Sieg an der Wolga ausgingen. Zu sehen sind auch sowjetische Flugblätter gegen Hitler in deutscher Sprache, ebenso wie britische Zeitungen, die voller Hoffnung auf einen Sieg der sowjetischen Truppen waren.
All diese Dinge sollen veranschaulichen, wie im öffentlichen Bewusstsein der Mythos Stalingrad geschaffen wurde. Das "Stalingrad-Bild" wurde bewusst geschaffen und von den jeweiligen Seiten auch zu Propagandazwecken ausgenutzt.
Die wichtigste Schlacht des Weltkrieges?
Historiker weisen darauf hin, dass Stalingrad vielleicht gar nicht die entscheidende Schlacht im Zweiten Weltkrieg war. Jens Wehner, leitender Kurator der Ausstellung, hält sie ebenfalls nicht für die wichtigste an der deutsch-sowjetischen Front.
"Wenn man sich das Jahr 1941 ansieht, also den deutschen Überfall auf die Sowjetunion, wie der Krieg bis zur Schlacht um Moskau verläuft, dann findet eigentlich schon dort die Entscheidung statt", sagt er im Gespräch mit der DW. Die Sowjetunion habe dadurch Zeit gewonnen, um ihre Kräfte zu mobilisieren. Der starke Widerstand der Roten Armee im Jahr 1941 habe alle Pläne Hitlers scheitern lassen. Einen Plan B habe er nicht gehabt. "Also, wenn man unbedingt eine entscheidende Schlacht suchen will, dann war es die um Moskau im Jahr 1941", betont der Mitarbeiter des Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.
Hitler brauchte aber einen großen Sieg, um die Lage in Deutschland und an der Front zu stabilisieren. Stalin wiederum wollte seine Verbündeten in Großbritannien und den Vereinigten Staaten davon überzeugen, dass das "Dritte Reich" zu besiegen sei. Beide brauchten nicht einfach einen Sieg, sie brauchten einen glänzenden und epochalen Triumph. Deswegen wurde noch vor Beginn der Schlacht um Stalingrad alles unternommen, damit dieses Thema weltweit in die Medien kam. Außerdem war Stalingrad die Stadt, die nach Hitlers Hauptfeind benannt war.
Stalingrad als Symbol
An die Schlacht von Stalingrad erinnert man noch heute, wenn es um größere militärische Operationen geht. Jene Stadt, die den Angriff der Wehrmacht abwehren konnte, ist zu einem Symbol geworden, das bis heute Musiker, Filmemacher und Entwickler von Computerspielen verwenden. In der Ausstellung in Dresden ist eine Spielpuppe aus chinesischer Produktion aus dem Jahr 2000 zu sehen. Sie trägt den Namen des Oberbefehlshabers der Sechsten Armee, General Friedrich Paulus. Auch wenn es zynisch klingt, ist Stalingrad heute fast so etwas wie eine Marke, mit der man sogar Geschäfte machen kann. Auch das zeigt die Ausstellung.