Mäßige Erwartungen an innerkoreanische Gespräche
8. Januar 2018Nach über zwei Jahren de facto vollständiger Funkstille werden am Dienstag erstmals zwei hochrangige Delegationen der zwei Koreas aufeinander treffen. Die südkoreanischen Entsandten unter Leitung von Vereinigungsminister Cho Myoung Gyon werden sich um halb acht Uhr Ortszeit in Richtung Panmunjom aufmachen, dem symbolträchtigen Waffenstillstandsort auf der innenkoreanischen Grenze. Dort treffen sie auf die ebenfalls fünfköpfige Delegation der Nordkoreaner.
Erster Punkt auf der Agenda ist die mögliche Teilnahme nordkoreanischer Athleten bei den olympischen Winterspielen in Pyeongchang. Diese scheint bereits ausgemachte Sache: Nordkoreas einziges Mitglied des Olympischen Komitees, Chang Un, sagte bereits am Flughafen Peking zu lokalen Reportern, dass Nordkorea "wahrscheinlich" an den Olympischen Spielen teilnehmen werde. Chang befindet sich auf dem Weg nach Lausanne, wo er IOC-Präsident Thomas Bach treffen wird und aller Voraussicht nach auch über finanzielle Unterstützung der nordkoreanischen Wintersportathleten diskutieren wird. In Südkorea würden laut einer repräsentativen Umfrage knapp über die Hälfte der Bevölkerung eine Teilnahme gutheißen.
Pyeongchang als "Friedensolympiade"
"Wenn Nordkorea in Pyeongchang teilnimmt, würde dies das Profil der Olympischen Wettkämpfe als Friedensspiele stärken", sagte die südkoreanische Außenministerin Kang Kyung Hwa. Ganz unumstritten ist die Einladungspolitik Seouls jedoch nicht. Als Südkorea beispielsweise im Jahr 1988 die olympischen Sommerspiele ausgerichtet hat, wurde das südafrikanische Apartheidsregime aufgrund von Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen. Nordkorea hingegen - das Regime mit einer der weltweit schlechtesten Menschenrechtsbilanzen - wird ausnahmslos willkommen geheißen. Gleichzeitig machte Ministerin Kang deutlich, dass sich Seoul von dem Treffen auch Diskussionen über die Sportdiplomatie hinaus erwartet. Aus dem Vereinigungsministerium in Seoul heißt es, man werde um Zusammenführungen von durch den Koreakrieg getrennten Familien ersuchen. Dies könne die militärischen Spannungen abbauen, sagte Minister Cho, der die südkoreanische Delegation leiten wird.
Ob bei dem morgigen Treffen auch kontroverse Themen angesprochen werden, etwa die Denuklearisierung Nordkoreas, ließ er bewusst offen. Cho Myoung Gon kann auf reichhaltige Verhandlungserfahrungen mit Nordkorea zurückblicken. So war der Politiker unter anderem beim zweiten und bislang letzten innerkoreanischen Spitzentreffen im Jahr 2007 anwesend, bei dem die Staatsoberhäupter beider Staaten direkt aufeinander trafen. Auch sein nordkoreanisches Pendant, Delegationsleiter Ri Song Kwon, Vorsitzender des Komitees für die friedliche Wiedervereinigung des Vaterlandes, gilt als hochrangiger Militär und enger Vertrauter Kim Jong Uns.
Keine Kompromisse in zentralen Streitfragen
Südkoreas linksgerichteter Präsident Moon Jae In hat sich während seiner gesamten politischen Laufbahn für den Dialog mit Pjöngjang eingesetzt - und zuletzt angedeutet, sich außenpolitisch von Washington emanzipieren zu wollen. Sein Spielraum in Bezug auf Nordkorea bleibt jedoch beschränkt: "Sämtliche Zugeständnisse, die er macht oder bekommt, muss er vor Washington rechtfertigen - was momentan extrem schwierig ist", sagt Andray Abrahamian, Gaststipendiat des Pacific Forum CSIS in Honolulu.
Abrahamian hat jahrelang mit der NGO Chosen Exchange Bildungsinitiativen in Nordkorea geleitet, unter anderem marktwirtschaftliche Kurse für Jungunternehmer in Pjöngjang. Der Brite bezweifelt, ob die Hauptantagonisten in diesem Konflikt - Washington und Pjöngjang - überhaupt zu Kompromissen in den zentralen Streitfragen bereit sind. Nordkorea wird kaum über sein Atomprogramm verhandeln, Südkorea hingegen ebenso wenig auf die Forderung eingehen, die gemeinsamen Militärmanöver mit den USA komplett einzustellen. "Insofern könnte sich das günstige Zeitfenster für Verhandlungen schon bald wieder schließen", sagt Andray.
Bereits in der Vergangenheit sind innerkoreansiche Annäherungen ergebnislos verlaufen: Im Jahr 2015 sendete Kim Jong Un ebenfalls in seiner Neujahrsansprache Annäherungssignale nach Südkorea. Die damalige Präsidentin Park Geun Hye bot daraufhin Gespräche ohne Vorbedingungen an - diese verliefen jedoch im Sande. Vor allem in konservativen Kreisen wird Nordkoreas Annäherung als Versuch gewertet, einen Keil zwischen die Allianz Südkoreas mit den USA zu treiben. Die politisch rechtsgerichtete, größte südkoreanische Tageszeitung Chosun Ilbo schreibt in ihrem Leitartikel, dass Nordkorea seinem südlichen Nachbarn lediglich einen Köder vor die Nase halten würde: "Kim besitzt nicht die Absicht, sein Atomprogramm aufzugeben. Alles, was er will, ist Zeit gewinnen".